Biegsame Linsen für Kameras in allen Objekten

Forscher versuchen sich an neuartigen Linsen aus Plastik, die sich in großer Zahl auf beliebige Oberflächen aufbringen lassen. Das Konzept könnte vollkommen neue Kameras und Anwendungen entstehen lassen.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Rachel Metz
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Ungewöhnlich ist die Kameralinse wie die, an der Shree Nayar in seinem Labor an der Columbia University arbeitet, allemal. Sie sieht aus wie eine durchsichtige Folie mit ein paar Erhebungen darauf. Anders als die Linse zum Beispiel in Smartphones ist sie vollkommen flexibel, und wenn man die Folie biegt, vergrößert sich ihr Bildfeld.

Der Prototyp für einen flexiblen Linsen-Array könnte es irgendwann möglich machen, Kameras auf allen möglichen Oberflächen aufzubringen: Man könnte sie für besseres autonomes Fahren oder bessere Sicht beim Einparken um ein Auto wickeln oder für 360-Grad-Beobachtung um Laternenmasten. Außerdem denkt Nayar daran, sie zusammen mit einem flexiblen Display in eine dünne, flexible Kamera einzubauen – ein Konzept für diese und andere Anwendungen ist in diesem Video zu sehen.

(Bild: Columbia Engineering)

"Man könnte eine ganze Stoßstange mit diesem System ausstatten, oder auch jede andere Oberfläche, je nachdem, um welche Anwendung es geht", sagt Nayar.

Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie das funktionieren könnte, haben die Forscher um Nayar mit ihrem biegsamen Prototypen einen Vorläufer für eine flexible Folien-Kamera gebaut. Zunächst formten sie mit Silikonkautschuk ein flexibles Linsen-Array mit sehr geringer Auflösung – nur 33 mal 33 Linsen. Dieses legten sie auf eine flexible Plastikfolie mit einem Lochgitter darin und eine weitere Folie zur Diffusion. Zusammengehalten werden all diese Schichten mit einer Art Schraubstock, mit dem sie sich auch biegen lassen, während ein darüber angebrachter Computerbildschirm Bilder anzeigt. Die Forscher verbogen ihre Schichten verschieden stark und nahmen die auf der Diffusionsfolie entstehenden Bilder (wie vielfarbige Punkte oder einen Jungen mit einem Pferd) mit einer normalen Digitalkamera auf, die sie unter ihrem Apparat installiert hatten.

Nayar hofft, mit diesem Konzept irgendwann einen Bildsensor mit höherer Auflösung als bei diesem per Hand gebauten System erreichen zu können. Wie er sagt, versuchen die Forscher derzeit herauszufinden, ob sich mit einer Verformung der Linsen Effekte wie zum Beispiel Zoomen erreichen lassen.

Damit die Technologie wirklich nützlich werden kann, schränkt Nayar ein, muss es aber noch Fortschritte bei anderen Arten von flexibler Elektronik und organischen Sensoren geben, die sich auf unterschiedliche Oberflächen aufdrucken lassen und anders als konventionelle Bildsensoren nicht auf Silizium basieren. Eine vollständig flexible Kamera würde zum Beispiel ein flexibles Display benötigen. Unternehmen wie LG und Samsung haben solche Displays bereits gezeigt, doch außer bei wenigen gebogenen Bildschirmen sind sie in der Konsumelektronik noch nicht verfügbar.

John Rogers, der sich als Professor an der University of Illinois in Urbana/Champaign mit flexibler und dehnbarer Elektronik sowie mit biologisch inspirierten Kamera-Designs beschäftigt, stimmt Nayar zu. Nach seinen Worten war es eine gute Leistung der Forscher, das optische Prinzip zu demonstrieren. Um wirklich zur Kamera zu werden, brauche das Linsen-Array jedoch zusätzlich einen flexiblen Bildsensor mit hoher Dichte und hoher Pixelzahl, den es noch nicht gibt. Trotzdem, so sagt Rogers,"für mich ist das eine saubere Arbeit".

(sma)