Politik

Kampf um die Hofburg Österreich erwartet ein Beben

FPÖ-Kandidat Norbert Hofer bei einem seiner letzten Wahlkampfauftritte.

FPÖ-Kandidat Norbert Hofer bei einem seiner letzten Wahlkampfauftritte.

(Foto: REUTERS)

Heute Abend hat Österreich zwar noch keinen neuen Bundespräsidenten, aber wahrscheinlich eine politische Krise. Die Regierung muss beim ersten Wahlgang mit einer Watsche rechnen – zu den Profiteuren gehören die Haider-Erben.

Mit Richard Lugner wollten sie sicher nicht in einem Boot sitzen. Der Baumeister, der sein Privatleben mit Frau Cathy im Trash-Fernsehen ausbreitet, kandidiert zum zweiten Mal als österreichischer Bundespräsident. Sein launiger Wahlkampf bescherte ihm zwar einige Lacher, aber sehr überschaubare Umfragewerte. In der ORF-Elefantenrunde, in der sich alle Kandidaten drei Tage vor der Wahl duellierten, wurde Lugner gefragt, wer die geringsten Chancen am Sonntag habe. Mit traurigem Blick deutete er auf Andreas Khol und Rudolf Hundstorfer und sagte: "Wir drei Außenseiter."

Dass Lugner keine Aussicht auf das Amt des Bundespräsidenten hat, ist keine Überraschung. Die anderen beiden Namen aber bergen politischen Sprengstoff: Hundstorfer tritt für die SPÖ an, Khol für die ÖVP. Die Volksparteien stellen nicht nur gemeinsam die Regierung, sie dominieren auch seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges die politische Landschaft in Österreich. Wenn die Umfrageinstitute nicht kolossal falsch liegen, scheiden also die Kandidaten der staatstragenden Parteien aus dem Rennen um das Amt des Bundespräsidenten aus. "Wenn das passiert, ist das eine historische Zäsur", sagt der österreichische Politikberater Thomas Hofer im Gespräch mit n-tv.de. Und dann steht ja noch nicht einmal fest, wer in die Hofburg einzieht.

Schrille Töne im Wahlkampf

Die Bedeutung, die der Bundespräsidentschaftswahl zukommt, lässt sich nur verstehen, wenn man sich die Stimmung der letzten Monate in Österreich vergegenwärtigt. Das Land leidet an einer Hysterie, an einer Art politischer Schnappatmung. Verursacht durch jahrelangen Stillstand unter der Großen Koalition von SPÖ-Kanzler Werner Faymann, ausgelöst von der Asylkrise. Wer sich die Maßnahmen der Regierung in den letzten Monaten anschaut, muss den Eindruck bekommen, Österreich befinde sich im Kriegszustand: Die Grenzen werden dicht gemacht, Soldaten an den Brenner geschickt, ein neues Asylgesetz soll es ermöglichen, alle Asylanträge abzuweisen, wenn die "öffentliche Ordnung" gefährdet ist. Es ist Politik in Ausrufezeichen.

Wer wird Präsident?

Österreich wählt am heutigen Sonntag, die ersten Hochrechnungen werden um 18.00 Uhr veröffentlicht. Eine endgültige Entscheidung könnte erst am Montag fallen, wenn die rund 500.000 Briefwahlstimmen ausgezählt sind. Die Favoriten heißen Irmgard Griss, Alexander van der Bellen und Norbert Hofer - eine unabhängige Kandidatin, ein Grüner, und ein Rechtspopulist von der FPÖ. Es ist abzusehen, dass im ersten Wahlgang keiner von ihnen die absolute Mehrheit erlangt. Das Spiel heißt also "aus drei mach zwei": Die beiden stimmstärksten Kandidaten gehen in die Stichwahl am 22. Mai. Wer es wird, lässt sich aus den Umfragen nicht mit Gewissheit ablesen. Am wahrscheinlichsten scheint ein Duell zwischen van der Bellen und Hofer. Bisher gab es in der Geschichte der 2. Republik drei Stichwahlen, immer standen sich Kandidaten von ÖVP und SPÖ gegenüber.

In dieser Atmosphäre polarisiert sich die Gesellschaft, wie Politikwissenschaftler Anton Pelinka im Interview mit n-tv.de erklärte. Die besten Chancen haben die zwei Männer, die völlig entgegengesetzte Positionen vertreten, vor allem in der Asylfrage: Alexander van der Bellen, ein Intellektueller, der zehn Jahre lang Bundessprecher der Grünen war, und Norbert Hofer, ein bis zum Wahlkampf relativ unbekanntes Gesicht der rechtspopulistischen FPÖ. Beide schlugen einen Ton an, der nur schlecht zur repräsentativen Funktion des Präsidenten passt: Van der Bellen kündigte an, im Falle eines Sieges der Rechten bei der Nationalratswahl 2018 eine Regierung unter Parteichef Heinz-Christian Strache nicht zu vereidigen. Hofer bezeichnete seinen Kontrahenten daraufhin als "faschistischen Diktator", hegt aber seine eigenen Allmachtsfantasien: Wenn er in die Hofburg einzieht, will er die Regierung entlassen. Auf die Frage, ob das überhaupt so einfach gehe, antwortete er im ORF maliziös: "Sie werden sich noch wundern, was alles geht."

Der Wiener Politikberater Thomas Hofer sieht solche Aussagen als "eine Art hyperventilierende Amtsanmaßung", die vor allem der Taktik geschuldet seien: "Van der Bellen hat sich wie der Wiener Bürgermeister Häupl als Anti-Blauer positioniert. Und Hofer muss das FPÖ-Potenzial mobilisieren, die blauen Wähler sind dem Amt gegenüber traditionell skeptisch." Die dritte Kandidatin mit guten Chancen auf die Stichwahl, Irmgard Griss, betonte im Wahlkampf immer wieder ihre Unabhängigkeit als größten Trumpf.

Hauptsache keiner aus der Großen Koalition

Auch wenn der Gewinner oder die Gewinnerin erst am 22. Mai fest steht – die großen Verlierer werden wohl SPÖ und ÖVP heißen. Die große Zeit der beiden Volksparteien, sie scheint vorüber. "Die Arbeitsmarktzahlen entwickeln sich dramatisch schlecht, die Verwaltungsreform ist seit Jahrzehnten nicht gelöst, die Realeinkommen sinken. Abstiegsängste gehen um, selbst in der Mittelschicht", sagt Thomas Hofer. "Das gibt es auch in Deutschland, aber in Österreich kommt hinzu, dass die alles dominierende Konstellation Rot-Schwarz als Teil des Problems empfunden wird."

Richard "Mörtel" Lugner brachte es in der ORF-Elefantenrunde in seiner eigenwilligen Sprache auf den Punkt: "Die Leute haben bis zur Nase alles voll von Rot-Schwarz." Das klingt nach Stammtisch, recht hat er trotzdem. Politikberater Thomas Hofer unterfüttert den Eindruck mit Zahlen: 1999 seien noch zwei Drittel der Befragten mit dem Zustand der österreichischen Demokratie zufrieden gewesen, 2000 war es nur noch die Hälfte, und eine aktuelle Untersuchung komme nur noch auf 30 Prozent. "Es zeigt sich eine Anti-System-Haltung, die man nicht unterschätzen darf."

Wie sich diese Haltung in Machtverhältnissen ausdrücken wird, ist noch unklar. Die Hofburg scheint verloren. Im Bund führt derzeit die FPÖ die Umfragen mit rund 30 Prozent an, weit vor SPÖ und ÖVP. Die Erben von Haider an der Macht, ein Kanzler Heinz-Christian Strache – das sind reale Optionen. Allerdings wird erst 2018 gewählt. Das Wort "Neuwahlen" kursiert zwar seit Monaten, wirklich rechnen tut damit aber niemand. "Das ist unwahrscheinlich", sagt Thomas Hofer. "Aber: Ich würde Neuwahlen nicht vollkommen ausschließen, auch wenn es absolut irrational wäre, weil die Koalitionäre nichts gewinnen können." Bis jetzt hält der Koalitionsfrieden, Kanzler und SPÖ-Chef Faymann und sein ÖVP-Pendant haben sich vorerst darauf geeinigt, weiterzumachen. Aber solche Vereinbarungen können eine beeindruckend kurze Halbwertszeit haben. "Nur eins ist jetzt schon klar", sagt Politikberater Thomas Hofer: "Es wird eine historische Wahl."

Quelle: ntv.de

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