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Russlands Krieg in Syrien: Putin bombt für Assad

Foto: ABDALRHMAN ISMAIL/ REUTERS

Krieg in Syrien Putin bombt Aleppo zum zweiten Grosny

Wladimir Putin setzt im Kampf gegen die syrischen Rebellen auf seine Kriegstaktik aus dem Tschetschenien-Feldzug.

"Der Syrienkonflikt lässt sich nicht militärisch lösen." Diesen Satz wiederholen westliche Diplomaten und Politiker seit fast fünf Jahren wie ein Mantra.

Wladimir Putin schickt sich nun an, das Gegenteil zu beweisen. Die russischen Luftangriffe auf Aleppo und das nördliche Umland haben der militärischen Lage in den vergangenen Wochen eine dramatische Wendung gegeben. Mit Unterstützung des Moskauer Militärs ist es syrischen Regierungstruppen und Einheiten der libanesischen Hisbollah-Miliz gelungen, mehrere Dörfer am nördlichen Stadtrand von Aleppo zurückzuerobern. Der von syrischen Rebellen gehaltene Osten und Norden der einstigen Millionenmetropole stehen damit kurz vor der Einkesselung.

"Die syrische Armee hat zusammen mit unterstützenden Truppen Sicherheit und Stabilität zurückgebracht." Mit dieser Phrase bejubelt die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana die Geländegewinne des Assad-Regimes . Doch die Bilder zeugen vor allem von enormer Zerstörung: Fast alle Häuser sind ausgebombt, die Bewohner geflüchtet. Mehrere Zehntausend Menschen sind inzwischen am türkisch-syrischen Grenzübergang Bab al-Salama gestrandet.

"Aus Sicht der russischen Regierung sind das alles Terroristen"

Jenen, die es nicht rechtzeitig aus dem Kessel von Aleppo schaffen, droht ein grausiges Schicksal. Laut Schätzungen leben noch mehr als 300.000 Menschen in den von Rebellen kontrollierten Stadtvierteln. Seit Jahren werden ihre Häuser bombardiert: Erst warfen Assads Hubschrauber Fassbomben ab, seit September bombardieren russische Jets das Gebiet.

Nun steht den Menschen eine monatelange Belagerung bevor: Die syrischen Truppen mit ihren libanesischen und iranischen Verbündeten werden es kaum wagen, in die Viertel einzumarschieren. Im Häuserkampf mit den Aufständischen drohen ihnen große Verluste. Stattdessen setzt das Regime auf eine Kriegstaktik, mit der es schon die Rebellen in Homs, Madaja und anderen Städten bezwungen hat: das Aushungern. Die Armee riegelt die Orte ab, lässt keine Hilfslieferungen durch und wirft Bomben von oben. So lange, bis die Eingeschlossenen verhungern und sich die Aufständischen ergeben. Schon jetzt sind Treibstoff und Nahrungsmittel in Aleppo knapp geworden.

Die zerstrittenen Rebellen wollen den Fall Aleppos mit allen Mitteln verhindern. Die größte Miliz Ahrar al-Scham hat "alle Fraktionen der syrischen Revolution" aufgerufen, sich an der Verteidigung der Stadt zu beteiligen. Doch gegen die Luftangriffe und die Feuerkraft der von Russland jüngst gelieferten T-90-Panzer sind die Aufständischen machtlos. "Aus Sicht der russischen Regierung sind das alles Terroristen", sagte US-Präsident Barack Obama schon im September nach einem Treffen mit seinem Moskauer Amtskollegen.

Putins Vorgehen in Syrien erinnert an den Tschetschenien-Krieg. Und Aleppo droht, ein zweites Grosny zu werden: Als in der russischen Teilrepublik Ende der Neunzigerjahre ein von Islamisten dominierter Aufstand losbrach, erklärte Putin pauschal alle Oppositionellen zu Terroristen. Seine Armee verhängte Kollektivstrafen gegen ganze Landstriche, machte Dörfer dem Erdboden gleich, unterschied nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten. Grosny war bei Kriegsende zu rund 80 Prozent zerstört.

Im Video: Bundeskanzlerin Merkel verurteilt Angriffe auf Aleppo

Der IS kann sich den Kampf um Aleppo gelassen anschauen

Auch im Tschetschenien-Konflikt hatten Uno, EU und USA immer wieder gemahnt, dass es keine militärische Lösung geben könne. Doch nach jahrelangem Krieg und schweren Verlusten in den eigenen Reihen war es der russischen Armee gelungen, den Aufstand tatsächlich niederzuschlagen. Inzwischen herrscht in Tschetschenien Ramsan Kadyrow, ein rücksichtsloser, selbstherrlicher und islamistischer Despot von Putins Gnaden. Der brüstet sich nun sogar damit, dass tschetschenische Spezialkräfte dem Kreml in Syrien helfen: Im Staatsfernsehen sagte Kadyrow, er habe einige seiner besten Männer ins Bürgerkriegsland geschickt, die Angriffsziele für russische Bomber auskundschafteten.

Doch genauso wie in den Bergen des Kaukasus noch immer Dschihadisten aktiv sind, werden auch die syrischen Rebellen im Falle einer Niederlage nicht kampflos aufgeben. In Zukunft dürften sie noch mehr als bisher auf Guerilla-Angriffe und Selbstmordattentate setzen.

Neben dem Assad-Regime ist die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) der große Gewinner der russischen Intervention. Die Zahl der syrischen Aufständischen, die sich vom Westen verraten und im Stich gelassen fühlen, dürfte nämlich weiter steigen. Die im August von den USA und der Türkei ins Spiel gebrachte Einrichtung einer sicheren Schutzzone innerhalb Syriens ist weiter nicht in Sicht. Der Westen hat zugelassen, dass das Regime die Genfer Verhandlungen torpediert und gleichzeitig seinen Kampf gegen die Rebellen verschärft.

Der IS kann sich diese Entwicklung von seinen Hochburgen im Osten Syriens aus ganz gelassen anschauen.


Zusammengefasst: Russlands Luftangriffe und Waffenlieferungen zeigen Wirkung: Das Assad-Regime ist im Norden Syriens auf dem Vormarsch und treibt Zehntausende in die Flucht. Der Ring um Aleppo wird immer enger. Der Stadt droht ein ähnliches Schicksal wie einst Grosny.