Die (mögliche) Zukunft der Künstlichen Intelligenz

Entwickeln Künstliche Intelligenzen bald selbst eine KI mit Superintelligenz? Was ist notwendig, um "bessere" KIs zu entwickeln?

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KI-Konferenz IJCAI: Die (mögliche) Zukunft der KI
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Wohin führt uns die Künstliche Intelligenz (KI)? Die Frage wurde in mehreren Vorträgen und Diskussionen auf der KI-Konferenz IJCAI in Stockholm erörtert. Dabei zeigte sich, dass die verengte Sicht auf den unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen, der insbesondere die deutsche KI-Politik prägt, mehr und mehr in Frage gestellt wird.

Wolfgang Bibel, einer der Pioniere der Künstlichen Intelligenz in Deutschland, konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht selbst zur IJCAI (International Joint Conference on Artificial Intelligence) kommen. Der Vortrag des ehemaligen Professors an der TU Darmstadt wurde daher von Ulrich Furbach (Uni Koblenz) vorgelesen.

Darin beklagte Bibel die heutige Begrenztheit des Fachs. Seit ihren Anfängen in den 1950er-Jahren sei die KI-Forschung ein wenig vom Weg abgekommen und habe insbesondere die Frage nach dem Wesen des Denkens aus den Augen verloren. Dabei könne sie die Verbindung herstellen zwischen den physiologischen Prozessen, die von der Neurowissenschaft untersucht werden und den höheren, symbolischen Funktionen, die Thema der Psychologie sind.

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In Ermangelung eines allgemein akzeptierten Namens, bezeichnete er die integrierte Wissenschaft geistiger Prozesse, die durch das Zusammenspiel von Informatik, Psychologie und Intelligenzforschung ermöglicht werde, als IPsI. Seine Hoffnung sei, dass sie durch die Fortschritte der KI beflügelt werde und zu neuen Einblicken in die Funktion des Gehirns führe, bei der Bewältigung gesellschaftlicher Probleme helfe, das Geheimnis des Bewusstseins entschlüssele und das Verständnis ethischer Fragen vertiefe.

Max Tegmark, Mitbegründer des Future of Life Institute, verglich die Forschungen zur KI mit dem Apollo-Programm: Um zum Mond zu fliegen, brauchte es eine Rakete mit der nötigen Energie, die Möglichkeit, sie zu steuern und ein Ziel. Die Energie der KI sei enorm, so Tegmark. Zwar sei umstritten, ob eine der menschlichen Intelligenz ähnliche allgemeine KI möglich sei. Die meisten Wissenschaftler gingen aber davon aus, dass dieses Niveau innerhalb von wenigen Jahrzehnten erreicht werden könne.

Wenn die Entwicklung der KI nicht mehr durch den Menschen, sondern durch die KI selbst vorangetrieben werde, könne es sogar zu einer Intelligenzexplosion und der Herausbildung einer Superintelligenz kommen. Das erfordere bei der Steuerung der Entwicklung besondere Sorgfalt und Weisheit. Versuch und Irrtum sei bei der KI als Methode ebenso unangemessen wie bei Nuklearwaffen und anderen ähnlich mächtigen Technologien. Das Lernen aus Fehlern sei kein ratsamer Weg, wenn ein einzelner Fehler katastrophale Konsequenzen haben kann.

Vielmehr müsse in die Erforschung sicherer KI investiert werden, forderte Tegmark. Dazu gehöre auch, dass KI für Menschen verständlich sei. Seit 2015 würden regelmäßig Konferenzen und Workshops zu diesen Themen veranstaltet. Die KI-Forschung finde mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und werde vermehrt durch Beiträge aus anderen Fachdisziplinen bereichert.

Beim Ziel, das auf diese Weise angesteuert werden soll, beschränkte sich Tegmark auf zwei, allerdings essentielle, Elemente. Zum einen müsse sichergestellt sein, dass der durch KI erzeugte Wohlstand allen zugutekäme. Zum anderen müsse die Entwicklung autonomer Waffensysteme verhindert und ein daraus resultierendes unkontrollierbares Wettrüsten verhindert werden. Bisher hätten 160 Organisationen ein vom Future of Life Institute formuliertes Versprechen unterzeichnet, sich nicht an der Entwicklung solcher Technologien zu beteiligen. Außerdem forderten bislang 26 Staaten ausdrücklich ein Verbot autonomer Waffen. Es beschäme ihn, dass Schweden nicht dabei sei, sagte der in Schweden geborene Tegmark, wohl aber China. Das einzige deutschsprachige Land auf der Liste ist Österreich.

In einer anschließenden Podiumsdiskussion über die Zukunft der KI in Europa betonte Tegmark, der selbst in den USA lebt und arbeitet, dass Europa allen Grund habe, selbstbewusst aufzutreten. Mit der Datenschutzgrundverordnung habe Europa in einer wichtigen Frage die Führung übernommen. "Meine Kollegen in den USA lieben sie", sagte er. "Sie hat schlagartig die Zahl ihrer Spam-Mails reduziert." Es gebe keinen Grund, warum Europa nicht auch bei militärischen Fragen wie dem Bann autonomer Waffen die Führung übernehmen könne. Ähnliches gelte für die Auswirkungen von KI auf die Bedeutung der Arbeit: "Solche Fragen wie etwa die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens werden nicht in den USA oder China thematisiert, sondern in Europa."

Die anderen Teilnehmer des Podiums äußerten sich ähnlich. Europa beeile sich gerade, noch auf den Zug aufzuspringen, der gerade abfahre, sagte Peter Eriksson, schwedischer Minister für Wohnen, Stadtentwicklung und Digitalisierung. "Aber das Rennen muss die gesamte Gesellschaft einschließen", betonte er. "Wir dürfen nicht riskieren, jemanden abzuhängen."

Barry O‘Sullivan, Vizepräsident der European Association for Artificial Intelligence (EurAI), erinnerte an Abraham Flexners 1939 erschienenen Essay "The Usefulness of Useless Knowledge" und verband damit die Forderung nach stärkerer Förderung von Grundlagenforschung. Es gelte zudem, die Frage zu erörtern, wie die Gesellschaft aussehen könne, wenn die KI voll entwickelt sei. "In solchen Kategorien zu denken, ist eine europäische Stärke", sagte er.

Francesca Rossi, die lange Zeit an der University of Padua geforscht hat und jetzt bei IBM in den USA arbeitet, unterstrich das. Die Entwicklung von Technologie sei kein Selbstzweck, sondern müsse der Gesellschaft zugutekommen und es müsse verstanden werden, was das bedeutet. Statt der Entwicklung hinterher zu rennen, müsse die Politik die Technologie in die gewünschte Richtung steuern. Notwendig dafür sei ein multi-disziplinärer Ansatz, der möglichst alle Interessengruppen einbeziehe. Sie sei überzeugt: "Der beste Ort, das umzusetzen, ist Europa." (olb)