Von einem „evil empire“ sprach Ronald Reagan im Frühjahr 1983, als der Kalte Krieg auf dem Höhepunkt war: von der Sowjetunion als „Reich des Bösen“. Amerikas damaliger Präsident rief in einer 30-minütigen Ansprache zu einem „weltweiten Kreuzzug“ gegen den Kommunismus auf und sagte, mit den Russen sei eine friedliche Koexistenz nicht möglich. Die Rede wurde als „Evil Empire Speech“ bekannt. Sie ist dem Kreml offenbar bis heute im Gedächtnis.
„Wir erleben gerade den Versuch, das Bild vom ,Reich des Bösen‘ neu zu beleben“, sagte Wladimir Putin am Wochenende. Russlands Präsident bezieht sich auf die jüngsten Vorwürfe aus den USA. Hillary Clinton hatte die russischen Geheimdienste beschuldigt, Computer der Demokraten auszuspähen und den US-Wahlkampf zu beeinflussen. Das FBI soll den Anschuldigungen nun nachgehen.
Sicher ist schon jetzt: Es ist das erste Mal seit Jahrzehnten, dass Russland wieder eine wichtige Rolle in einem US-Wahlkampf spielt. Clinton übt immer wieder Kritik an Moskau, der Republikaner Donald Trump hingegen deutet Sympathie für Putin an. Und der Kreml-Chef hat bereits durchblicken lassen, welchem Kandidaten er den Sieg wünscht: demjenigen, der „Russland auf Augenhöhe“ begegnen wolle – also Trump.
Russland ist zurück auf der Weltbühne. Sichtbar wird das nicht nur im amerikanischen Wahlkampf, sondern etwa auch im Syrien-Konflikt. Ohne den Kreml geht dort nichts mehr. Aber auch wirtschaftlich ist der Staat wieder da. Obwohl der Ölpreis weiter unter 50 Dollar je Fass notiert und ein deutlicher Anstieg über diese Marke nicht so schnell zu erwarten ist, kommt das Land wieder in Schwung. Es scheint, als sei es Putin gelungen, die Abhängigkeit von dem Rohstoff zu verringern.
Gesunkenes Pleiterisiko
Nach zwei Jahren in der Rezession dürfte die Wirtschaft im kommenden Jahr wieder wachsen. Auch die Devisenreserven nehmen zu. Seit dem Tief im Frühjahr 2015 ist der Staatsschatz um 40 Milliarden Dollar auf knapp 400 Milliarden Dollar angewachsen. Das ist auch den Akteuren an den Kreditmärkten nicht verborgen geblieben.
Sie stufen Russland wieder solider ein und beziffern das Pleiterisiko innerhalb der kommenden Jahre nur noch auf zwölf Prozent. Das ist der niedrigste Werte seit 2014, als der Westen in der Krimkrise Sanktionen gegen Moskau verhängte. Damals wurde die Wahrscheinlichkeit, dass Putins Reich bankrottgeht, zeitweise auf weit mehr als 30 Prozent taxiert.
Der Rubel hat im laufenden Jahr zum Dollar fast 14 Prozent an Wert gewonnen, die russische Börse hat fast 13 Prozent zugelegt. Auch die Ratingagenturen sind dem Land wieder mehr gewogen. Zuletzt erhöhte der Marktführer Standard & Poor’s den Ausblick von „negativ“ auf „stabil“.
„Wir rechnen damit, dass Russland wieder auf den Wachstumspfad zurückfindet, in den kommenden drei Jahren dürfte die Wirtschaft durchschnittlich um 1,6 Prozent zulegen“, begründen die S&P-Analysten die Aufwertung. „Wir erwarten ebenfalls, dass Moskau trotz des Ausgabendrucks bei den Staatsfinanzen seine Gesamtverschuldung auf einem niedrigen Niveau halten kann.“ Läuft es weiter so gut, kann der Kreml darauf hoffen, bald wieder von seinem „Junk“-Malus befreit zu werden. Das S&P-Rating liegt gegenwärtig mit BB+ lediglich eine Stufe unter Ramschniveau.
Zweifel am fairen Wahlablauf
All das scheint Putin wieder angriffslustiger zu machen. So streute er in Interviews immer wieder Zweifel daran, dass bei amerikanischen Präsidentschaftswahlen alles mit rechten Dingen zugeht. Tatsächlich glaubt Umfragen zufolge fast die Hälfte der US-Bürger, dass die Wahlen nicht fair ablaufen. Eine Stimmung, die dem Politikaußenseiter Trump zugute kommen könnte.
Wie Putin lässt er durchblicken, die Stimmabgabe könnte manipuliert werden. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass sich die beiden Politiker absprechen, aber eine gewisse Nähe ist unübersehbar. Im russischen Fernsehen lobte Trump den russischen Präsidenten gerade als einen Staatsmann, der mehr Format habe als Barack Obama.
Trump ist der erste Präsidentschaftskandidat, der einen anderen Staat aufgefordert hat, Schmutz über seinen politischen Gegner zu sammeln. Während eines Wahlkampfauftritts hatte er gesagt, er hoffe, „Russland schafft es, die 30.000 E-Mails zu finden, die verschwunden sind“. Trump bezieht sich auf Clintons E-Mail-Affäre – als Außenministerin hatte sie dienstliche Nachrichten über ihre private Adresse verschickt.
„Das Rennen zwischen Trump und Clinton ist enger geworden“, sagt Ian Bremmer, Gründer des amerikanischen Analyse-Hauses Eurasia. „Den Ausschlag könnten am Ende Impulse von außen geben – wie die E-Mail-Affäre, die die Russen gerade neu befeuern.“
Wie sehr Putin – beflügelt von der neuen ökonomischen Stärke seines Landes – im amerikanischen Wahlkampf mitmischt, ist ungeklärt. Aber er wüsste wohl, wie man das anstellt. Als Russlands Staatschef noch KGB-Agent war, gehörte es zu den Aufgaben seiner Abteilung, Desinformationen zu streuen, um die Politik anderer Länder in die gewünschte Richtung zu lenken. Er könnte also, wenn er wollte.