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Hilfe für Kurden: Bundeswehr liefert Ausrüstung in den Irak

Foto: POOL/ REUTERS

Kampf gegen "Islamischen Staat" Bundeswehr schickt sechs Soldaten in den Irak

Die Bundeswehr hat sechs Soldaten in den Irak entsandt, um beim Kampf gegen die IS-Terrormiliz zu helfen. Ihr Auftrag: Schutzwesten verteilen - und mögliche Waffenlieferungen an die Kurden vorbereiten.

Berlin/Washington - Noch ist keine endgültige Entscheidung darüber getroffen, ob Deutschland Waffen für den Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) sendet. Ein erster Schritt ist aber schon getan: Zur Koordination einer möglichen Lieferung sind laut Bundeswehr sechs deutsche Soldaten in Arbil eingetroffen. In Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt sei "ein militärisches Verbindungselement" am Generalkonsulat in Arbil eingerichtet worden. Mit "Verbindungselement" sind die sechs Soldaten gemeint.

Sie sollen bei der Verteilung von zivilen Hilfsgütern helfen und eine mögliche Waffenlieferung koordinieren. Die erste Lieferung militärischer Ausrüstung für den Schutz der Kämpfer gegen die Terrormiliz sei schon zusammengestellt, heißt es. 4000 Schutzwesten, 4000 Helme, 700 Funkgeräte, 20 Metallsuchgeräte, 30 Minensonden, 40 Werkzeugsätze zur Munitionsbeseitigung und 680 Nachtsichtgeräte sollen in den nächsten Tagen von Leipzig aus in die Kurden-Hauptstadt Arbil geflogen werden.

Der deutsche General Hans-Lothar Domröse schätzte die Lage im Irak als "dramatisch" ein. Die Kurden könnten der IS-Miliz jedoch durchaus Paroli bieten: "Sie sind in der Lage, sie zu bekämpfen."

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete den IS-Terror als "schreckliches Gräuel". In einem Interview von CDU.TV sagte sie: "Man kann von einem Völkermord sprechen."

Drohendes Massaker an Turkmenen

Die US-Streitkräfte setzten unterdessen ihre Angriffe auf den IS fort. Nach Angaben des US-Zentralkommandos in Tampa in Florida haben die USA seit dem 8. August 101 Luftschläge gegen den IS geführt. Das US-Militär erwägt, gezielte Angriffe in der Region zwischen Kirkuk und Bagdad zu fliegen. Dort belagern Dschihadisten die irakischen Stadt Amerli, in der rund 12.000 Menschen leben - überwiegend schiitische Turkmenen, die von den Dschihadisten wegen ihres Glaubens als "Ketzer" betrachtet werden.

Nach Uno-Angaben gelang es bisher nicht, die Bewohner in Sicherheit zu bringen oder ausreichend Hilfsgüter in die Stadt zu liefern. Der Uno-Sondergesandte für den Irak, Nikolai Mladenow, warnte kürzlich, dass den Einwohnern im Fall einer Einnahme durch die Dschihadisten ein Massaker drohe.

Ein Vertreter des Verteidigungsministeriums, der seinen Namen nicht nennen wollte, sagte der Nachrichtenagentur AFP, die USA versuchten, sich ein genaueres Bild von der Situation in Amerli zu verschaffen. Sollte es zu einer Hilfsaktion kommen, könne diese ähnlich verlaufen wie kürzlich für die Jesiden im Sindschar-Gebirge.

Die Vereinten Nationen warfen dem IS vor, im Irak und in Syrien brutalste Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen. So würden IS-Milizen in ihrem Herrschaftsgebiet zur Abschreckung regelmäßig öffentliche Hinrichtungen veranstalten und selbst Kinder zum Zuschauen zwingen.

Linkspartei wirft Bundesregierung Machtmissbrauch vor

Mit Waffenlieferungen wollen immer mehr westliche Länder die Armee und die Kurden im Norden des Landes für den Kampf gegen die IS-Miliz stärken. Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums schicken neben den USA nun auch Kanada, Kroatien und Albanien Kriegsgerät. Italien, Frankreich, Dänemark und Großbritannien haben ebenfalls Rüstungslieferungen angekündigt. Tschechien will mehrere Millionen Patronen für Kalaschnikow-Maschinenpistolen, Handgranaten und Panzerabwehrwaffen im Wert von fast 1,5 Millionen Euro bereitstellen.

Die Bundesregierung will am Sonntag über Waffenlieferungen in den Irak entscheiden. Der Bundestag wird sich am kommenden Montag in einer Sondersitzung damit befassen. Dabei wird es möglicherweise auch eine Abstimmung geben. Union und SPD erwägen, die Regierungsentscheidung mit einem Parlamentsbeschluss zu unterstützen. Das Votum hätte aber nur symbolischen Wert. Die Regierung kann die Waffenlieferungen auch im Alleingang beschließen.

Die Linkspartei wirft der Bundesregierung deshalb "Machtmissbrauch" vor. Der Vorsitzende der Partei, Bernd Riexinger, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", eine symbolische Abstimmung im Bundestag reiche nicht aus. "Die große Koalition missbraucht ihre Riesenmehrheit für eine Entmachtung des Parlaments. Das ist praktizierte Arroganz der Macht." Die Regierung bewege sich "auf dünnem Eis", es würden "bewaffnete Soldaten in ein Kriegsgebiet geschickt, um Waffennachschub für eine Kriegspartei zu liefern".

Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte, Deutschland müsse "so schnell als möglich" liefern: "Ansonsten würden die Terroristen von der IS wahrscheinlich auch noch in Kurdistan einfallen."

Auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann befürwortet eine mögliche Waffenlieferung. Munition, Gewehre und Panzerfäuste in den Irak zu schicken, sei zur Abwehr des "Mordfeldzugs" des IS gerechtfertigt: "Humanitäre Hilfe liefe ins Leere, wenn die Kurden überrannt würden."

Oppermann machte indirekt die USA für den Vormarsch der Extremistengruppe "Islamischer Staat" mitverantwortlich. Beim Sturz Sadam Husseins sei das fragile Miteinander der Volksgruppen und Religionen im Irak zerstört worden: "Das ganze Desaster offenbart sich mehr als ein Jahrzehnt später."

vet/dpa/afp