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Patrick Beuth

Urheberrechtsreform Die Zukunft soll gefälligst warten

Digitalpolitik als Abwehrmittel: Eine Mehrheit der EU-Abgeordneten unterstützt die missratene Reform des Urheberrechts. Sie bremst Innovationen aus und benachteiligt Urheber sogar noch.
Am Ziel: Axel Voss (CDU)

Am Ziel: Axel Voss (CDU)

Foto: Vincent Kessler/ REUTERS

Eine im Jahr 2019 reichlich nach Binse klingende Erkenntnis steht gleich am Anfang des Entwurfs zur künftigen Urheberrechtsrichtlinie: "Die rasanten technologischen Entwicklungen führen zu einem ständigen Wandel in der Art und Weise, wie Werke und sonstige Schutzgegenstände geschaffen, erzeugt, vertrieben und verwertet werden. Es entstehen laufend neue Geschäftsmodelle, und neue Akteure treten auf den Plan."

348 Abgeordnete haben das mit dem Wandel und den neuen Akteuren offenbar als Warnung interpretiert. Also stimmten sie einer Reform zu, die vor allem alte, etablierte Akteure zu schützen versucht: Medienhäuser und Rechteinhaber.

Zum Beispiel mit Artikel 15, vormals Artikel 11: einem Leistungsschutzrecht für Presseverleger, das selbst in seiner milderen deutschen Fassung seit 2013 Start-ups das Leben erschwert, ohne dabei den Verlegern zu nützen.

Protest der Zivilgesellschaft bleibt erfolglos

Oder auch mit Artikel 16, vormals Artikel 12: einer Option für die Mitgliedstaaten, Urheber zu verdonnern, Einnahmen etwa aus der VG Wort mit ihren Verlagen zu teilen. Der Bundesgerichtshof hatte genau das 2016 für rechtswidrig erklärt, nachdem ein Wissenschaftsautor jahrelang gegen die Zwangsbeteiligung geklagt hatte.

Und mit Artikel 17, vormals Artikel 13: der Pflicht für kommerzielle Onlineplattform-Betreiber mit nutzergenerierten Inhalten, eine Generalerlaubnis von allen Rechteinhabern zur Verwendung ihrer Inhalte einzuholen und nicht lizenzierte Uploads von vornherein zu verhindern.

Gegen letzteren Artikel waren allein in Deutschland über hunderttausend Menschen auf die Straße gegangen. Mehr als 200 Wissenschaftler aus dem Fachgebiet Urheberrecht sowie diverse weitere Rechtsexperten, Verbraucherschützer und Informatiker hatten vor den Folgen der Regelung gewarnt: Sie sei innovationsfeindlich und werde vor allem kleinen Plattformen schaden, die nicht in die ausgesprochen enge Definition für Ausnahmefälle passen.

348 Abgeordnete verstehen Digitalpolitik damit vorrangig als Abwehrmittel gegen den Wandel.

Am 26. Mai, bei der nächsten Europawahl, wird sich nun zeigen, wie viele Menschen ihre Stimme als Abwehrmittel gegen diesen verordneten Stillstand verstehen.