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Jan Fleischhauer

Anti-Terror-Kampf Vorsicht, dieser Artikel könnte verbotene Informationen enthalten!

Wir sind bemerkenswert genau darüber unterrichtet, mit wem die Attentäter von Würzburg und Ansbach vor ihrer Tat in Kontakt standen. Hat sich mal jemand gefragt, woher diese Informationen wohl kommen?

Bevor der 17-Jährige Riaz Ahmadzai vor Würzburg einen Regionalzug bestieg, um dem IS seine Ergebenheit zu zeigen, setzte er über sein Handy eine Nachricht ab. "Ich werde heute in Deutschland mit einer Axt einen Anschlag begehen", schrieb er einem Bekannten mit saudi-arabischer Nummer.

"Bruder, wäre es nicht besser, es mit einem Auto durchzuführen", schrieb der Bekannte zurück. "So wird die ganze Welt erneut aufgewühlt werden." Er könne leider nicht Auto fahren, antwortete Riaz. "Du solltest es lernen", empfahl sein Kontakt, "der Schaden wäre auch erheblich größer". Riaz blieb bei der Axt.

Nach der Tat hieß es über den Attentäter von Würzburg, er habe sich spontan radikalisiert. Die "Instant-Radikalisierung" gehörte neben "Mitmach-Terrorismus" zu den Begriffen der Stunde. Inzwischen wissen wir, dass Riaz Ahmadzai über Wochen im Austausch mit jemanden stand, der ihn bei seinem Vorhaben aus der Ferne beriet. So ist es auch bei dem syrischen Flüchtling, der vor einem Restaurant in Ansbach eine Bombe zündete.

Das ist beeindruckende Ermittlungsarbeit, in der Berichterstattung wurde ihr zu Recht viel Platz eingeräumt. Eine Frage blieb dabei allerdings unbeantwortet: Woher wissen die Behörden das alles so genau? In den Zeitungen stand etwas von den Mobiltelefonen, die von der Polizei sichergestellt worden seien. Aber im Gegensatz zu den detaillierten Angaben über den verschlüsselten Chat-Verkehr der Attentäter blieben die Hinweise, wie die Verschlüsselung umgangen wurde, merkwürdig vage.

Hilfe von der NSA

Ich habe jemanden gefragt, der sich mit solchen Dingen auskennt. Es sieht so aus, als ob die Informationen vom FBI stammen. Woher das FBI so genau im Bilde ist, was zwei in Deutschland lebende Flüchtlinge mit Leuten zu besprechen haben, die über saudi-arabische Nummern verfügen: Darauf erhält man ein vielsagendes Lächeln. Die Vermutung ist, dass hinter dem FBI die NSA steckt, jene Spionageeinrichtung, die bei uns als die Zentrale des Bösen gilt.

Es wäre nicht das erste Mal, dass die NSA aushilft. In den vergangenen Monaten haben die deutschen Sicherheitsbehörden mehrfach Warnungen erhalten, die sie dem umfangreichen Abhörprogramm der Amerikaner verdanken. Ginge es mit rechten Dingen zu, müssten viele Artikel zur Terrorlage einen Warnhinweis an die Leser enthalten: "Vorsicht, folgender Bericht enthält möglicherweise durch illegale Spähsoftware erlangte Informationen."

Aber das sähe natürlich komisch aus. Also hat man sich auf eine kommode Arbeitsteilung geeinigt: Vorne liegen die verbotenen Früchte aus, über deren Lieferweg man lieber schweigt - hinten, auf der Kommentarseite, wird gegen die Leute gewettert, die mit ihren elektronischen Ernteprogrammen dafür sorgen, dass wir über die Aktivitäten unserer Feinde genauer im Bilde sind, als wir es ohne diese wären.

Bigott ist ein Wort, das im 18. Jahrhundert Einzug ins Deutsche gehalten hat und ein Verhalten bezeichnet, bei dem das Tatsächliche nicht mit dem Empfohlenen übereinstimmt. Der Duden definiert Bigotterie als Scheinheiligkeit und "kleinliche, engherzige Frömmigkeit". Unser Umgang mit den Geheimdiensten ist genau das: bigott.

So etwas wie ein Untersuchungsausschuss

Seit mehr als zwei Jahren leisten wir uns einen Untersuchungsausschuss, der mit enormen Aufwand "Ausmaß und Hintergründe der Ausspähungen durch ausländische Geheimdienste" aufklären soll. So steht es im Auftrag. Weil, wie zu erwarten, die Amerikaner keine Veranlassung sahen, in Berlin zu erscheinen, um dort Rede und Antwort zu stehen, haben die Abgeordneten den Untersuchungsauftrag geändert und sich den Bundesnachrichtendienst vorgenommen. In den Zeitungen ist inzwischen vom BND-Untersuchungsausschuss die Rede, das ist nicht korrekt, aber folgerichtig.

Von den vor den Ausschuss zitierten Mitarbeitern wird erwartet, dass sie über alles Auskunft geben, was der Ausschuss zu wissen wünscht. Wenn sie sich auf ihre Geheimhaltungspflicht berufen, heißt es, sie würden mauern. Werden in den angeforderten Akten Seiten geschwärzt, weil heikle Operationen berührt sind, beweist das nach Meinung der Abgeordneten die Missachtung des Ausschusses und die Notwendigkeit einer stärkeren parlamentarischen Kontrolle. Dieses Spiel ist nicht zu gewinnen.

Kein Mensch scheint sich dafür zu interessieren, welche Folgen das fröhliche Treiben in Berlin für die Arbeit der Leute hat, die uns vor dem Terror der Dschihadisten schützen sollen. Die Amerikaner haben bereits deutlich gemacht, dass sie die Berliner Plaudereien mit Sorge sehen. Man mag es für einen Ausdruck amerikanischer Arroganz halten: Aber in den USA ist das Vertrauen in einen Mann wie den Geheimdienstgrünen Hans-Christian Ströbele, der den Moskau-Residenten und Anti-Späh-Aktivisten Edward Snowden für den größten Freiheitskämpfer seit Nelson Mandela hält, nicht so ausgeprägt, dass man ihm über den Umweg einer deutschen Kontrollkommission Einsicht in die eigenen Aktivitäten gewähren wollte.

Informationspflicht, wenn die NSA geholfen hat

Auch für die Moral der Mitarbeiter ist das institutionalisierte Misstrauen Gift. Stellen Sie sich vor, Sie wären beim Bundesnachrichtendienst beschäftigt. Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie in regelmäßigen Abständen über sich lesen müssten, dass Sie bei einer quasikriminellen Vereinigung tätig sind? Vermutlich würden Sie sich dafür entscheiden, künftig von allem die Hände zu lassen, was Ärger machen könnte, und Dienst nach Vorschrift schieben.

Es gibt im Lebensmittelrecht eine Kennzeichnungspflicht. Ich bin normalerweise dagegen, die Leute mit immer neuen Vorschriften zu quälen. Aber in dem Fall scheint es mir ausnahmsweise sinnvoll, eine solche Informationspflicht einzuführen, und sei es nur zu Erziehungszwecken: Jedesmal, wenn uns die NSA geholfen hat, muss das entsprechend vermerkt werden. Dann können wir entscheiden, ob wir in Zukunft auf Hinweise aus den USA verzichten wollen, weil uns die Quelle nicht koscher erscheint. Oder ob wir angesichts der Terrorlage vielleicht doch ganz dankbar sind, wenn man bei der NSA auch über uns Deutsche eine schützende Hand hält.