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Tierplage Neuseeland will Millionen Kaninchen mit Virus töten

Die Jagd auf Kaninchen hat in Neuseeland Tradition. Doch weil die Tiere zunehmend zur Plage werden, wird nun ein tödliches Virus ausgesetzt - ausgerechnet vor Ostern.

Es ist wieder Zeit für Osterhasen. Kurz vor dem Fest kommt man im Supermarkt an den Schokodingern kaum noch vorbei. In Neuseeland ist das nicht anders als in Deutschland. Lebendigen Kaninchen allerdings wird dort so intensiv nachgestellt wie wohl kaum anderswo.

Für den Inselstaat im Pazifik mit seiner außergewöhnlichen Flora und Fauna ist das Wildkaninchen eine arge Landplage. Laut offizieller Statistik richtet das millionenfach verbreitete Tier in Neuseelands Landwirtschaft Jahr für Jahr Schäden von umgerechnet etwa 60 Millionen Euro an. Ein spezielles Virus soll deshalb nun mindestens 40 Prozent der Population umbringen - quasi im Regierungsauftrag und ausgerechnet zu Ostern.

Der tödliche Erreger trägt den Namen RHDV1 K5. Es ist eine Variante des Virus, das die mit inneren Blutungen einhergehende Hämorrhagische Kaninchenkrankheit (RHDV) auslöst. Das Virus wurde in Futter gemischt, das nun landesweit an 350 Orten verteilt wird. Für andere Lebewesen soll der Erreger angeblich ungefährlich sein.

"Das ist eine große Erleichterung"

Neuseeland hat Erfahrung mit dem Einsatz eines solchen Erregers: 1997 wurde erstmals ein RHDV1-Virus ausgesetzt. Es erfüllte wohl auch seinen Zweck. Inzwischen sind die Kaninchen jedoch immun gegen den Erreger. Neuseelands Landwirte meinen deshalb, dass es höchste Zeit für ein neues Virus war. "Das ist eine große Erleichterung", sagt Verbandssprecher Andrew Simpson. "Wenn noch ein Jahr vergangen wäre, hätte das auf einigen Farmen großen Schaden verursacht."

Um den Ruf des Kaninchens in Neuseeland war es noch nie besonders gut bestellt. Ursprünglich heimisch ist die Art ohnehin nicht: Die Tiere wurden von den ersten europäischen Siedlern ins Land gebracht - und vermehrten sich immens. Der Bestand geriet schnell außer Kontrolle. Heute wird die Zahl auf viele Millionen Exemplare geschätzt, genau weiß man das nicht.

Der amerikanische Schriftsteller Mark Twain notierte schon 1895 während eines Besuchs: "Der Mann, der das Kaninchen nach Neuseeland brachte, wurde gepriesen und festlich bewirtet. Heute würde man ihn an den Strick hängen, wenn man ihn in die Hand bekäme."

Seither wurde alles Mögliche versucht, um die Plage in den Griff zu kriegen: Man stellt den Kaninchen Fallen, hetzt sie mit Hunden, sprüht ihnen Gas in den Bau. In Otago auf der Südinsel wird einmal pro Jahr die "Great Easter Bunny Hunt" ausgetragen. Was klingt wie ein Kinderfest, ist eine groß organisierte Kaninchenjagd über 24 Stunden hinweg - im Schnitt werden dabei 10.000 Tiere getötet.

"Extrem grausame Art"

Das rabiate Vorgehen gegen die Wildkaninchen mit einem Erreger, der schwere Qualen verursacht, gefällt allerdings auch in Neuseeland nicht jedem. Hauskaninchen sind beliebt, geschätzt mehr als 100.000 gibt es in Neuseelands Haushalten. Und die Wahrscheinlichkeit, dass das Virus vor deren Ställen Halt macht, ist eher gering. Die Vereinigung der neuseeländischen Tierärzte (NZVA) mahnt deshalb: "Eine Impfung ist empfehlenswert."

Die Kaninchenfreunde-Vereinigung New Zealand Hopper Group fürchtet zudem, dass das Virus auf andere Tierarten übergreifen könnte, allen Versicherungen zum Trotz. Ihr Vorsitzender Simon Esling meint: "Auf jeden Fall muss man sagen, dass das eine extrem grausame Art ist, eine 'Plage' loszuwerden, die ins Land gebracht wurde, damit Farmer ihren Spaß beim Jagen hatten."

Der Tierschutzbund SPCA kritisiert, dass die Kaninchen vor dem Tod schwer zu leiden hätten. "Wir sind für humanere Methoden, wenn man die Kaninchen-Population unter Kontrolle bringen muss", sagt die Ärztin Anja Dale.

Die Regierung hält entgegen, dass die Kaninchen durch das Virus ähnlich wie von einer schweren Grippe getötet würden. Zudem verweisen die Experten im zuständigen Ministerium darauf, dass das ursprünglich aus Südkorea stammende Virus RHDV1 noch nie andere Tiere erfasst habe. "Alle Daten - aus 40 Ländern und über 30 Jahre hinweg - bestätigen, dass das Virus nur auf das Europäische Wildkaninchen beschränkt ist. Es ist unwahrscheinlich, dass sich das ändert."

Von Jule Scherer, dpa

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