PayPal trifft eine “strategische” Entscheidung für den russischen Online-Markt

Scott Thompson, PayPal Präsident. Foto: Getty Images/Fotobank

Scott Thompson, PayPal Präsident. Foto: Getty Images/Fotobank

Da immer mehr Russen über einen Internetzugang verfügen, suchen viele von ihnen nach Möglichkeiten, online einzukaufen.

Berichten zufolge weist die amerikanische Online-Bank PayPal schulterzuckend den geäußerten Korruptionsverdacht zurück und wird bald auf dem rasant wachsenden russischen Markt der Online-Zahlungen vertreten sein.

Russland verfügt über einen der weltweit am schnellsten anwachsenden Internet-Markt und die Zahl der Internetnutzer ist in den vergangenen drei Jahren geradezu explodiert. Sie verdoppelt sich alle 18 Monate und Experten gehen davon aus, dass bis Ende 2011 ca. 50 Millionen Personen das Internet nutzen werden.

Die Zahl der Breitbandanschlüsse nimmt  jeden Monat um ca. drei Prozent zu und einem Bericht von AC&M-Consulting zufolge verfügten im Dezember bereits 29,7 Prozent der Russen über einen solchen Anschluss. Der größte Zuwachs ist in den weit abgelegenen Regionen Russlands zu verzeichnen, deren Bewohner  das Internet gewöhnlich als „Bildungsprogramm“ sowie als Möglichkeit, ihren Kindern den Rest der Welt zu zeigen, ansehen. In Sibirien wuchs die Zahl der abgeschlossenen Internetverträge allein im Dezember um 4,3 Prozent, was die Zuwachsrate in Moskau bei weitem übersteigt.

Der Zuwachs im Bereich des Onlineshoppings geht allerdings sehr viel langsamer vonstatten, da die Bezahlung der bestellten Ware noch immer große Schwierigkeiten bereitet. „Aufgrund der geringen Verbreitung von Kreditkarten ist es schwierig, Geld von den Kunden zu bekommen, selbst wenn diese bereit sind, etwas zu bezahlen“, erklärte Simon Dunlop, Hauptgeschäftsführer von Dream Industries, in deren Besitz sich der größte russische Online-Buchladen Bookmate.ru befindet. „Es gibt einige russische Unternehmen, die Online-Zahlungen abwickeln, beispielsweise  Yandex.Dengi und WebMoney, allerdings muss vorab eine Überweisung auf das Konto erfolgen. Die einzige Möglichkeit für schnelle Einkäufe ist das extrem teure SMS-System.“

Viele Websites akzeptieren eine Bezahlung per Handy: Der Kunde sendet eine SMS mit seiner Bestellung an eine spezielle Nummer und muss eine Gebühr über die Handyrechnung bezahlen. Nach Angaben von Dunlop verlangen die Telefongesellschaften allerdings eine Gebühr von bis zu 40 Prozent des Einkaufspreises. Kreditkarten ausländischer Banken funktionieren nur selten auf russischen Websites.

Deshalb entwickelte PayPal eine Strategie für den Einstieg in den russischen Markt der E-Payments, wie die russische Wirtschaftszeitung RBC im April in Erfahrung brachte. Einem Bericht der Zeitung zufolge wartet das US-Unternehmen nur noch darauf, dass Gesetze über ein nationales Bezahlsystem bestätigt werden und möchte dann im nächsten Jahr ein Büro in Russland eröffnen.

Das Qiwi-Kiosksystem ist sehr populär in Russland. Foto: Lori/Legion MediaDas Qiwi-Kiosksystem ist sehr populär in Russland. Foto: Lori/Legion Media

Die Entscheidung von PayPal stellt eine Kehrtwende in der Haltung amerikanischer Online-Unternehmen dar. Im Jahre 1998 stoppte CompuServe den Zugang zum russischen Internet. Zu viele Hacker hatten sich mit falschen Konten und gefälschten bzw. gestohlenen Kreditkartennummern eingeloggt und somit enorme Kosten für die Dienste, die die Nutzer in diesen Ländern mit den zentralen Rechnern von CompuServe in den Vereinigten Staaten verbinden, verursacht, teilte das Unternehmen damals mit.

Was das Marktpotential anbetrifft, ist PayPal zuversichtlich und führt bereits Verhandlungen mit örtlichen Internet-Providern und Mobilfunkunternehmen. „Ganz allgemein kann man sagen, dass das Unternehmen nicht nur an Russland, sondern auch an allen anderen GUS-Staaten interessiert ist“, erfuhr RBC aus informierten Kreisen.

Nach Angaben der Electronic Money Association wurden im Jahre 2009 über 90 Prozent des russischen Marktes für E-Payments über die führenden Online-Payment-Systeme Yandex.Dengi und WebMoney abgewickelt, PayPal muss also mächtig aufholen.

WebMoney wurde im Jahre 1998 gegründet und ist im zentralamerikanischen Staat Belize, in dem sein Besitzer und Verwalter lebt, ins Handelsregister eingetragen. Das ursprünglich für russische Kunden ausgelegte Unternehmen wuchs sehr rasch und soll mittlerweile weltweit 14 Millionen Kunden haben.

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