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Olympia Olympia in Rio

So machen die Hahner-Zwillinge mit Mittelmaß Kasse

Chefreporter
Hahner-Zwillinge hatten Zieleinlauf nicht geplant

Den gemeinsamen Start hatten die Marathon-Zwillinge Anna und Lisa Hahner für Rio geplant. Danach sollte jede ihr eigenes Rennen laufen. Am Ende kamen sie Hand in Hand ins Ziel und ernten Kritik.

Quelle: Die Welt/Sport

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Anna und Lisa Hahner wird Selbstinszenierung vorgeworfen. Obwohl die Marathonläuferinnen sportlich chancenlos sind, verdienen die Zwillinge bestens. Denn Weltklasse sind sie eben abseits der Strecke.

An den Pokertischen dieser Welt ist Anna Kournikova bis heute eine Legende. Hält ein Spieler ein Ass und einen König in der Hand – kurz „A/K“ wie die Initialen des ehemaligen Tennisstars – prophezeien Zocker spöttisch: „Anna Kournikova: sieht gut aus, gewinnt aber nie.“

Die Russin schaffte es um die Jahrtausendwende ohne einen einzigen gewonnen Einzeltitel zum globalen Tennisstar – und verdiente mit 20 Millionen Euro pro Jahr mehr als jede andere Spielerin ihrer Zeit. Sponsoren machten es möglich. Kournikova war in erster Linie ein Werbe- und kein Sportstar.

Es sind andere Dimensionen, aber für die Zwillinge Lisa und Anna Hahner gilt diese Prämisse auch: Deutschlands beste Marathonläuferinnen rennen der globalen Konkurrenz seit Jahren hinterher, beim olympischen Marathon in Rio liefen sie auf Platz 81 und 82 ins Ziel. Trotzdem streichen sie durch Sponsorenverträge so viel Geld ein wie nur wenige andere deutsche Leichtathleten. „Wir sind Sportunternehmerinnen“, sagen die Zwillinge selbst.

Über die beste Deutsche sprach kaum einer

Die Inszenierung der beiden 26-Jährigen beim Marathon in Rio hat nun massiv Kritik hervorgerufen. Serienmeisterin Sabrina Mockenhaupt, bei Olympia aufgrund einer Verletzung nicht dabei, warf den Hahners Unehrlichkeit und Selbstinszenierung vor. „Warum muss man mit aller Gewalt verkaufen wollen, dass man immer lacht und alles immer super ist?“, schrieb die 35-Jährige auf Facebook. „Da fragt man sich, ob sich Ehrlichkeit und ein Kämpferherz in der heutigen Gesellschaft überhaupt noch lohnt.“

Mockenhaupt machte es stutzig, dass der Jubeleinlauf der Hahner-Zwillinge medial um die Welt ging, während bessere Läuferinnen keine Beachtung fanden. Ein Beispiel dafür war Anja Scherl, als 44. und beste Deutsche acht Minuten vor den Hahners im Ziel, über die danach kaum einer mehr sprach.

Tatsächlich haben es die Lauf-Zwillinge in den vergangenen Jahren geschafft, sich als Marke bei namhaften Sponsoren und Zehntausenden Fans zu etablieren. Die selbsternannten „Hahnertwins“ haben unter anderem Verträge mit Adidas und Gerolsteiner abgeschlossen.

Immer als Duo, immer mit Lachen im Gesicht

„Natürlich spielt das Aussehen der Hahner-Zwillinge eine große Rolle bei der Vermarktung. Ihre feminine Stahlkraft sendet Reize aus, die für Sponsoren sehr attraktiv sind“, sagt Experte Mario Leo.

Ewig lächelndes Duo: Anna (links) und Lisa Hahner
Ewig lächelndes Duo: Anna (links) und Lisa Hahner
Quelle: REUTERS/X02840

Für den Geschäftsführer der Sportvermarktungsfirma Result ist die Inszenierung der Hahners auf den sozialen Netzwerken der entscheidende Grund für ihren Werbewert. Die Facebook-Seite der Zwillinge hat über 65.000 Anhänger, auf Instagram kommen noch einmal 25.000 Fans dazu.

Auf den Plattformen veröffentlichen die Läuferinnen zum Teil mehrmals täglich Schnappschüsse und Einblicke in ihren Alltag. Immer als Duo, immer mit einem Lachen im Gesicht. Wir machen das, was wir tun, mit Leidenschaft und Spaß, signalisieren die Bilder, die Tausende liken.

Ein Facebook-Posting hat einen Werbewert von bis zu 800 Euro

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Die Botschaften der Hahners kämen bei den Anhängern so gut an, weil die Ansprache persönlich und direkt sei, erklärt Leo: „Das ist kein Marketing aus der Schublade, sondern kommt authentisch rüber. Sie leben ihr Zwillingsdasein, man nimmt es ihnen ab.“

Der Experte rechnet vor, dass ein einzelner Post der beiden auf Facebook aufgrund ihrer Interaktionszahlen für Sponsoren einen Werbewert „zwischen 500 und 800 Euro“ habe. Geht man durchschnittlich von einem Beitrag pro Tag aus, kämen dadurch allein 15.000 Euro zusammen – pro Monat.

Doch die beiden Blondinen aus dem hessischen Dorf Rimmels haben längst weitere Einnahmequellen für sich entdeckt. Gut 30 Vorträge halten sie im Jahr vor Managern, Hobbyläufern und Fans, füllen dabei sogar Kinosäle für 500 Menschen. Neben dem Geld für die Tickets verkaufen die Zwillinge nach der Vorstellung auch immer noch ihr Laufbuch „Time to Run“; Preis: 17,95 Euro, persönliche Widmung inklusive.

Hahner-Zwillinge leiten einen Klub für Hobbyläufer

Für Hobbyläufer leiten sie zudem den Hahnertwins Klub, noch so eine Erfolgsgeschichte der beiden. Knapp 200 Mitglieder können für einen Jahresbetrag um rund 100 Euro ab und an mit den Zwillingen trainieren und erhalten Ratschläge für ihr Training.

Aufgrund ihrer Popularität gehören die Hahners zu den wenigen Läufern, die sehr lukrative Antrittsgagen für ihre Teilnahmen bei Straßenläufen erhalten. Beim Frankfurt-Marathon im Oktober 2015, als Arne Gabius in 2:08:33 einen neuen deutschen Rekord lief, waren auch die Zwillinge dabei.

Gabius bestätigte damals im „Welt“-Interview, das es für ihn bei dem Lauf um 100.000 Euro ging. „Das Geld liegt im Laufsport eher auf der Straße“, sagt Gabius. „Auf der Bahn verdient man im besten Fall zwischen 30.000 und 50.000 Euro pro Jahr. Als Marathonläufer kommt man in ganz andere Dimensionen.“

App für Freizeitläufer noch nicht das Ende der Vermarktung

Wie Gabius, der seinen Lauf-Fans eine eigene Videoserie „Arne TV“ bietet, gehen auch die Hahner-Zwillinge ungewöhnliche Vermarktungswege. Seit wenigen Wochen bietet sich jedem Smartphone-Besitzer die Möglichkeit, die neue Fitness-App der Zwillinge herunterzuladen. Mit dem Programm sollen Läufer ihr Lauftraining planen können. Nach der Eingabe der persönlichen Daten wie Gewicht und Größe erhält man kostenlos einen ausgearbeiteten Trainingsplan der Marke „Hahner“.

So profitieren Unternehmen vom Marathon-Hype

Jeder dritte Deutsche geht regelmäßig joggen. Auch bei Laufveranstaltungen machen immer mehr Teilnehmer mit. Dabei jubeln am Ende nicht nur die Sportler, sondern auch Unternehmen.

Quelle: Die Welt

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Die hochprofessionelle Vermarktungsmaschinerie der Zwillinge wird in der deutschen Leichtathletikszene seit Jahren kritisch beäugt. Viele halten die Selbstdarstellung für überzogen, da sie den Sport an sich in den Hintergrund drängen würde.

Fakt ist, dass die Strategie aufzugehen scheint. Vor Olympia schmückten die Hahners zahlreiche Titelblätter von Hochglanzmagazinen, auch der „Spiegel“ widmete ihnen eine große Geschichte. Es ist die Aufmerksamkeit, die Lisa und Anna Hahner brauchen und gekonnt nutzen, um Geld zu verdienen.

Und der Sport? Das legendäre olympische Motto gibt die Antwort: „Dabei sein ist alles.“

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