Syrien-Krieg:In Syrien zählt nur die militärische Überlegenheit

Syrien-Krieg: In Aleppo schaut ein syrischer Weißhelm-Sanitäter nach einem Luftangriff mit bangem Blick in den Himmel.

In Aleppo schaut ein syrischer Weißhelm-Sanitäter nach einem Luftangriff mit bangem Blick in den Himmel.

(Foto: AFP)

Russland führt an der Seite Assads einen Krieg, der alle Regeln des Völkerrechts verletzt. Verhandlungen mit Moskau sind nichts mehr wert.

Kommentar von Stefan Kornelius

Wer bisher noch der Meinung war, der Frieden oder wenigstens ein Waffenstillstand in Syrien ließe sich gemeinsam mit Russland aushandeln, der sollte den letzten Funken Hoffnung löschen. Was immer Russland am Verhandlungstisch verabredet, es ist nichts wert. Der immense diplomatische Aufwand der letzten Wochen - ein zynisches Ablenkungsmanöver.

Wie ein Tanzbär lässt sich der amerikanische Außenminister John Kerry durch die Manege führen, bis er endlich selber feststellt, dass er in einem Zirkus gelandet ist. Er ist Teil einer Vorführung, einer Demonstration: Die Regierung in Moskau präsentiert ihre neue Macht. Warum sie das tut? Weil sie es kann. Das ist neu.

Wie skrupellos Russland diese Macht gebraucht, hat die vergangene Syrien-Woche gezeigt. Während die Politik in der UN-Manege Reden schwingt und sich in Verhandlungen übt, werden russische und syrische Kampfflugzeuge beladen. Der Angriff auf den Hilfskonvoi stellte keine Zäsur da, er war nur der Beginn der Gewaltorgie, die sich nun über der Stadt Aleppo entlädt.

Die zeitliche Überlappung ist wichtig: Sie entkräftet den russischen Vorwurf, die USA trügen die Schuld an der Eskalation, weil sie den Waffenstillstand nicht umgesetzt und wie zugesagt für eine Entflechtung der Al-Nusra-Kämpfer von den Separatisten gesorgt hätten. Nein, Russland hat gar nicht auf eine Entflechtung gewartet - die ja auch nur schwer zu belegen gewesen wäre. Die Grenzen zwischen den kämpfenden Gruppen sind fließend.

Russland dirigiert den Krieg mit seiner Gewaltbereitschaft

Es ist kaum zu erklären, warum sich Kerry auf eine solch theoretische Zusage eingelassen hat. Sie hat ihn zur Knetmasse in den Händen des russischen Kollegen reduziert. Zynisch behauptet Sergej Lawrow nun, man habe kein Vertrauen mehr in die USA. Überhaupt spielt Lawrow mit der Wahrheit, dass es einem die Zornesröte ins Gesicht treibt. Woher einer wie Kerry nach wie vor das Vertrauen nimmt, mit Lawrow zu verhandeln, wird er hoffentlich eines Tages seinen Memoiren anvertrauen.

Möglich, dass Russland nur die Weisheit beherzigte: Wenn du aus deinem Chaos nicht mehr herausfindest, dann stifte noch mehr Verwirrung und Unheil. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Moskau ähnlich verfährt wie in der Ukraine, wo selbst nach dem Waffenstillstand noch heftige Gefechte geführt wurden.

In Syrien geht die gleiche Rechnung auf: Am Ende zählt alleine die militärische Überlegenheit. Hier geht es nicht um Verhandlungen, Appelle, Humanität - hier geht es um Stärke und die Bereitschaft, Gewalt einzusetzen. Russland ist bereit, diese Gewalt anzuwenden. Die USA sind es nicht. Und selbst Saudi-Arabien schreckt vor dem ultimativen Schritt zur Eskalation zurück und liefert keine Stinger-Flugabwehrraketen ins Kriegsgebiet, wo sie in terroristische Hände fallen könnten.

Russland führt an der Seite Assads einen Luftkrieg, der alle Regeln des Kriegsvölkerrechts verletzt. Diese Bereitschaft zur Brutalität macht es unwahrscheinlich, mit Moskau eine Verhandlungslösung zu erreichen. Die militärische Überlegenheit ist so eindringlich, dass allein Russland entscheidet, wann und zu welchen Konditionen der Krieg eingefroren wird. Vermutlich wird bis dahin eine Hälfte der Stadt Aleppo eingeäschert sein.

Dies ist der Unterschied zwischen der Strategie Russlands und der USA: Washington will den Krieg eindämmen in der Hoffnung, er ließe sich schon irgendwie befrieden. Moskau will ihn für das Assad-Regime gewinnen. Washington balanciert unsicher zwischen den Lagern. Moskau hat sich für das Unrecht von Assad entschieden. Washington schreckt vor Gewalt zurück. Moskau hat sie offenbar gerade erst entdeckt. Es ist nicht schwer zu ahnen, wer diesen Krieg gewinnt.

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