Einstieg ins Fernsehgeschäft:Amazon geht auf Sendung

Amazon CEO Bezos demonstrates the Kindle Paperwhite during Amazon's Kindle Fire event in Santa Monica

Amazon-Chef Jeff Bezos will beim Fernsehgeschäft mitmischen.

(Foto: REUTERS)

Der Fernsehmarkt wandelt sich gewaltig, Amazon will sich einklinken: Mit Medienkonzernen und Senderketten schließt Chef Jeff Bezos exklusive Verträge, plant wohl ein Videostreaminggerät - und könnte so die volle Kontrolle über den Weg zum Zuschauer erlangen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es würde sich mittlerweile lohnen, eine Skala einzuführen - mit einfachen Parametern: Je ungenauer sich Jeff Bezos, Gründer und Chef des Internetkonzerns Amazon, zu Innovation oder Investition äußert, desto spektakulärer sind diese. Zuletzt war das im Sommer zu beobachten: Damals bezahlte Bezos mit seinem eigens dafür gegründeten Unternehmen Nash Holdings 250 Millionen Dollar für die Washington Post.

Er beantwortete zwar einige Fragen, warum er als milliardenschwerer Internetunternehmer, der mit seinem Konzern allein im vergangenen Jahr 63 Milliarden Dollar umgesetzt hat, an einer hochdefizitären Tageszeitung interessiert ist. Ins Detail aber ging er nie. Er sagte auch nicht, was er genau mit der Zeitung vorhat. Ein Satz von Bezos aus einem Memo an die Mitarbeiter der Washington Post: "Es gibt keine Landkarte, und es wird nicht leicht, einen Weg einzuzeichnen."

So begann das große Grübeln. Über den Deal wurde so viel spekuliert, dass eine andere Investition von Bezos beinahe unbemerkt blieb - obwohl sie die Medienlandschaft ähnlich stark verändern könnte.

Amazon beteiligte sich an der Fernsehserie "Under The Dome" noch vor deren Ausstrahlung. Nur so konnte sich der Sender CBS die Adaption des gleichnamigen Stephen-King-Romans leisten, die gewaltigen Produktionskosten von etwa 3,5 Millionen Dollar pro Folge stemmen und die erste Staffel schon im Sommer ausstrahlen, wenn sich Werbekunden eher zurückhalten. "Durch den Amazon-Deal und die internationalen Verkäufe war die Show profitabel, noch bevor eine Folge gezeigt wurde", sagt CBS-Chef Leslie Moonves.

Gerät "Cinnamon"

Von Amazon hingegen war zu dem Geschäft wenig zu hören, was auf der Skala bedeuten würde: wichtiges Investment. Und es gibt noch einige weitere Hinweise, die sich mittlerweile zu einem recht klaren Bild zusammenfügen lassen: Amazon will eine wichtige Rolle im sich gerade gewaltig wandelnden Fernsehmarkt spielen.

Ein wichtiges Puzzleteil dafür ist die jüngste Nachricht im Wall Street Journal, dass Amazon für das Weihnachtsgeschäft die Einführung eines Videostreaminggerätes plane, mit dem man Serien oder Filme über das Internet auf dem Fernseher abspielen könne. Intern wird das Gerät offenbar "Cinnamon" genannt, es könnte am Ende, in Anlehnung an das Tablet des Internetkonzerns, Kindle TV, oder auch Firetube heißen - zumindest hat sich Amazon schon mal die Rechte an diesem Namen in den USA und Kanada gesichert.

Amazon lässt nicht mehr verlauten als: kein Kommentar. Ob es ein solches Gerät geben wird? Ob es womöglich schon zu Weihnachten eingeführt wird? Ob es zunächst nur für den amerikanischen Markt geplant ist oder weltweit vertrieben werden soll - und zu welchem Preis? Zu all diesen Fragen hüllt sich der Konzern in Schweigen, es gibt aber auch kein Dementi. Und das heißt in der verschwiegenen Branche schon etwas.

"Veränderung zum Schlechten"

Ein eigenes Streaminggerät erscheint sinnvoll, betrachtet man die anderen Puzzle-Meldungen der vergangenen Monate. "Under the Dome" ist überaus erfolgreich. Rechnet man alle Möglichkeiten zusammen, sich die Serie anzusehen, also live im Fernsehen, per Mitschnitt oder Streaming via Internet, dann sehen in den Vereinigten Staaten mehr als 20 Millionen Menschen pro Folge zu. Durch die Zusammenarbeit sicherte sich Amazon die Hoheit über die 13 Folgen der ersten Staffel, die es nirgendwo anders im Netz zu sehen gab.

Gerade wurde der Deal um eine weitere Spielzeit erneuert. Es ist ein Geschäftsmodell, von dem es heißt, dass es den Fernsehmarkt gewaltig verändern könnte, das durchaus aber auch kritisch betrachtet wird. "Das ist eine Veränderung zum Schlechten für das große System", sagt etwa John Landgraf, Chef des Senders FX: "Man sperrt die Sendung für Menschen, die kein Abonnement abschließen."

Amazon bietet die Serie bislang exklusiv seinen besten Kunden an. Wer 79 Dollar pro Jahr bezahlt, bekommt seine Bestellungen nicht nur portofrei nach spätestens zwei Tagen zugestellt oder gratis digitale Bücher zur Ausleihe fürs Kindle, sondern auch Zugang zu den Videos. Dort gibt es nicht nur "Under the Dome", sondern auch viele andere und bald auch von Amazon produzierte Sendungen.

Erst wurde bekannt, dass Amazon Verträge mit der Senderkette PBS und dem Medienkonzern Viacom geschlossen und sich somit die Rechte an Kindersendungen wie "Caillou", "Arthur" und "Spongebob Squarepants" gesichert hat. Kurz darauf hieß es, dass Amazon Studios fünf Kinderserien selbst produzieren möchte und Aufträge für weitere Projekte vergeben hat. In dieser Woche kam schließlich heraus, dass das Unternehmen drei Pilotfolgen für eigene Fernsehserien geordert hat. Dabei hat Amazon die Produzentin Jill Soloway, die für ihre Serie "Six Feet Under" eine Emmy-Nominierung erhielt, und den Drehbuchautor Roman Coppola, oscarnominiert für den Film "Moonrise Kingdom", verpflichtet.

Die volle Kontrolle über den Weg zum Zuschauer

Auch mit Chris Carter, dem Erfinder der "Akte X", ist Amazon in Gesprächen. Das bedeutet: Der Internetkonzern will Serien vom Schlag "House of Cards" machen. Die hat der Streamingdienst Netflix produziert. Es war zunächst ein Wagnis. Doch es ist gelungen: Die Serie ist extrem erfolgreich und hat Netflix einen Ansturm von zwei Millionen neuen Abonnenten beschert. Das macht Eindruck. Auch bei Amazon.

Mit einem eigenen Gerät, das die Serien aus dem Netz auf den Fernseher bringt, hätte Amazon die volle Kontrolle über den Weg zum Zuschauer - und zu seinen Kunden. So macht sich das Unternehmen unabhängig und begibt sich in einen Wettbewerb mit Apple, Google und anderen Anbietern wie etwa Roku, die bereits ähnliche Geräte in die Läden gebracht haben.

Schon mit Büchern hat es Amazon ähnlich gemacht: Sein Lesegerät namens Kindle hat das Unternehmen zu Spottpreisen in die Läden gebracht und dabei auf das spätere Geschäft mit dem dazu passenden Lesestoff gesetzt. Bezos ist bekannt dafür, für langfristig kluge Investitionen auf den kurzfristigen Profit zu verzichten.

Jeff Bezos mag große Pläne mit seiner neuen Tageszeitung haben. Doch seine Ambitionen auf dem Fernsehmarkt sind vermutlich nicht geringer.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: