Politik

Pöbelnder Mob in Clausnitz Polizeichef will gegen Flüchtlinge ermitteln

Polizeipräsident Reißmann bezeichnete den Einsatz von "einfachem unmittelbaren Zwang" gegen die Flüchtlinge als angemessen.

Polizeipräsident Reißmann bezeichnete den Einsatz von "einfachem unmittelbaren Zwang" gegen die Flüchtlinge als angemessen.

(Foto: dpa)

Nach den Ereignissen vor dem Flüchtlingsheim in Clausnitz stehen auch die Polizisten in der Kritik. Polizeipräsident Uwe Reißmann verteidigt den Einsatz - und gibt den Flüchtlingen sogar eine Mitschuld an der aufgeheizten Stimmung.

Was geschah am Donnerstagabend in Clausnitz? Der zuständige Chemnitzer Polizeipräsident Uwe Reißmann gab am Nachmittag eine Pressekonferenz zu den Ereignissen in der sächsischen Ortschaft. Dabei verteidigte er auch den Einsatz und das Verhalten der 29 anwesenden Polizisten.

Flüchtlinge in Clausnitz

Flüchtlinge in Clausnitz

(Foto: dpa)

Der Bus, der die Flüchtlinge in die Unterkunft bringen sollte, wurde zunächst von mehreren Fahrzeugen blockiert. Reißmann sagt: Als der Bus schließlich vor dem Flüchtlingsheim stand, hätte ein Dolmetscher versucht, die Asylsuchenden zum Aussteigen zu bewegen. Die Insassen hätten das Fahrzeug aber nicht verlassen wollen. Einige der Flüchtlinge hätten die etwa 100 Protestierenden mit ihren Handys gefilmt und provozierende Gesten gezeigt. Reißmann nannte konkret Stinkefinger und Kopf-Ab-Gesten.

Die Stimmung sei angespannt und hochemotional gewesen, die Polizisten vor Ort hätten Angriffe auf den Bus befürchtet, in Form von Steinwürfen oder Böllern. Angesprochen auf die Kritik an dem in einem Video dokumentierten harten Vorgehen der Polizei gegen einen Flüchtlingsjungen, sagte Reißmann: Um die Situation zu deeskalieren, hätte man den Bus räumen wollen. Bei drei Flüchtlingen sei der Einsatz von "einfachem unmittelbaren Zwang" notwendig gewesen. Dies sei auch bei Kindern und Jugendlichen legitim, wenn die Situation es erfordere. "Das Gebäude war sicherer als der davor stehende Bus", sagte Reißmann. Man habe die Asylsuchende möglichst schnell in die Unterkunft bringen wollen, um die Situation "nicht noch mehr zu verschärfen oder Verletzte und Sachschäden zu riskieren".

Keine Konsequenzen für Polizisten

Statt wie geplant um 19.20 Uhr konnten die Flüchtlinge ihre Wohnungen erst um 22 Uhr beziehen, nachdem der Bus geräumt war. Reißmann sagte: Die Polizei sei davon ausgegangen, dass die Belegung wie in anderen Fällen reibungslos über die Bühne ginge. Die Situation habe sich jedoch anders entwickelt als erwartet. Die Polizeibeamten hätten gegenüber den Demonstranten zwar einen Platzverweis ausgesprochen, für eine Räumung habe es nicht genug Einsatzkräfte gegeben. Eine Auflösung der Versammlung sei daher nicht möglich gewesen, räumte Reißmann ein. Bei künftigen Belegungen werde man daher anders verfahren.

Konsequenzen gegen das harte Eingreifen der Polizisten gegen Flüchtlinge hält Reißmann nicht für nötig. Die Maßnahme sei absolut notwendig und verhältnismäßig gewesen, auch weil die Anweisungen des Dolmetschers nicht befolgt worden seien. Ermittelt werde nun sowohl gegen Businsassen, wegen der beleidigenden Gesten, als auch gegen Demonstranten, wegen eines möglicher Verstöße gegen das Versammlungsgesetz und der Androhung von Straftaten. Erkenntnisse über einen rechtsextremen Hintergrund gebe es bisher nicht. Reißmann spricht von 14 Anzeigen, die bisher eingegangen seien. Dazu kämen mehr als 50 Internetanzeigen wegen des Polizeieinsatzes. Am Abend ist eine Demonstration in Clausnitz angemeldet worden, die Polizei rechnet vor allem mit Teilnehmern aus der linken Szene.

"Hier ist nicht gut"

Der Flüchtlingsjunge Luau wurde von einem Polizisten gepackt und aus dem Bus gezogen.

Der Flüchtlingsjunge Luau wurde von einem Polizisten gepackt und aus dem Bus gezogen.

Mehr Informationen gibt es inzwischen auch über den Heimleiter des Flüchtlingsheims. Thomas Hetze ist Mitglied der AfD. Er kandidierte für das Bürgermeisteramt im zehn Kilometer von Clausnitz entfernt gelegenen Ortsteil Holzhau. In den vergangenen Monaten sprach er auf Parteiveranstaltungen und organisierte einen AfD-Stammtisch mit einem Impulsvortrag zu dem Thema "Asyl und andere politische Amokfahrten". Als Heimleiter soll sich Hetze nun um die Betreuung der 24 Flüchtlinge in der Unterkunft in Clausnitz kümmern.

Das Gespräch habe ergeben, dass Hetze für den Job qualifiziert sei, sagte Dieter Steinert, der Leiter der Asylstabstelle des Landkreises, der "Süddeutschen Zeitung". Von seiner AfD-Mitgliedschaft habe man zu dem Zeitpunkt nichts gewusst. Solange Hetze nicht gegen geltendes Recht verstoße, "gibt es keine Probleme". Als einer der wenigen wusste er Bescheid, wann der Bus mit den Flüchtlingen die Unterkunft erreichen würde.

Luau ist der Flüchtlingsjunge, der von einem der Polizisten aus dem Bus gezerrt wurde. Das Video ist bei Youtube zu sehen. Luau ist 15 Jahre alt und kam vor drei Monaten aus dem Libanon nach Deutschland. Bis Donnerstag war er mit seinem Vater und den drei Geschwistern in Dresden untergebracht. Luau spricht schon etwas Deutsch. Ein deutsches Mädchen habe ihm das beigebracht, erzählt er im Interview mit n-tv. Auf die Situation in dem Video angesprochen, greift er sich an den Hals und stellt nach, wie ihn der Polizist gepackt und aus dem Bus gezogen habe. Er fühlt sich nicht wohl in Clausnitz und würde gern zurück nach Dresden. "Hier ist nicht gut", sagt Luau. Eine der Familien, mit der er am Donnerstag hergefahren ist, hat den Ort schon wieder verlassen. Sie ist mit dem Taxi zurück nach Dresden gefahren.

Quelle: ntv.de, cro

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