Zum Inhalt springen
Fotostrecke

Build 2014: Highlights von Microsofts Entwicklerkonferenz

Foto: © Robert Galbraith / Reuters/ REUTERS

Silicon Valley Schreibt Microsoft noch nicht ab!

Microsoft gilt vielen als abgeschrieben, als Relikt auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit. Doch der Konzern will mit neuem Chef und neuer Angriffslust zurück an die Spitze. Das ist gut so, denn Google und Apple brauchen dringend Konkurrenz.

An dieser Stelle berichtet SPIEGEL-Korrespondent Thomas Schulz in einer wöchentlichen Kolumne aus dem Silicon Valley und blickt hinter die Kulissen der digitalen Revolution, die rund um die Welt Gesellschaft und Wirtschaft verändert.

Zum Autor
Foto: Sarah Girner

Thomas Schulz ist USA-Korrespondent des SPIEGEL, zunächst vier Jahre in New York, jetzt in San Francisco. Fulbright-Stipendiat, Forschungssemester in Harvard. Erlebte Aufstieg und Fall der New Economy bei einem Frankfurter Internet-Start-up. Seit 2001 beim SPIEGEL. Ausgezeichnet mit dem Henri-Nannen-Preis, Holtzbrinck-Preis für Wirtschaftspublizistik, Reporter des Jahres.

Microsoft hat zuletzt 24,5 Milliarden Dollar Umsatz und acht Milliarden Dollar Gewinn gemacht. Nicht im Jahr, sondern in einem einzigen Quartal. Das gleich vorneweg. Lange galt der Konzern als das einflussreichste, wichtigste und wertvollste Unternehmen überhaupt. Warum blickt dann heute scheinbar die halbe Welt nur noch mitleidig auf die Firma?

Seit einiger Zeit wird Microsoft behandelt wie ein gealterter Fußballer, dessen Karriere längst vorbei ist. Wie ein Lothar Matthäus der Tech-Welt. Respekt gibt es nur für die Leistungen der weit zurückliegenden Vergangenheit. Aber auch das nur eingeschränkt, denn gegen die moderne, junge, elegante Konkurrenz von heute war früher alles Rumpelfußball. In Erinnerung geblieben sind vor allem markige Sprüche, die jetzt nur noch dämlich klingen: Das iPhone sei ein Witz, Google ein Kartenhaus. Solche Sachen sagte einst Steve Ballmer, lange der Chef des Konzerns.

Microsoft gilt vielen als ein Relikt der neunziger Jahre, auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit gemeinsam mit anderen abgehalfterten einstigen Größen wie Sony.

Cool wird man nicht von heute auf morgen

Die Fakten sehen so aus: Windows ist noch immer das dominierende Betriebssystem für PC. Die Spielekonsole Xbox verkauft sich blendend. Der Bereich Geschäftkunden läuft prächtig. Google hat keine besseren Programmierer. Windows Phone ist genauso elegant wie iOS. Profianwender sind auf die Software des Konzerns angewiesen.

Das Problem ist jedoch: IT-Profis bestimmen nicht mehr die Welt der Technologie. Sondern zunehmend die Verbraucher, die breite Masse, 16-jährige Teenager. Experten nennen das Phänomen "Consumerization of IT". Wer privat ein Samsung Galaxy nutzt, will es auch beruflich einsetzen. Wer sich zu Hause an Apple-Produkte gewöhnt hat, will sich im Büro nicht mit einem fünf Jahre alten Windows-Rechner rumschlagen.

Microsoft hat das Problem schon länger erkannt, schafft es aber nicht, sein selbst verschuldetes Image grundlegend zu ändern. Wer 20 Jahre lang schwerfälliger Riese war, berüchtigt für komplizierte, anwenderfeindliche Software, wird nicht plötzlich als coole Speerspitze der Digitalisierung wahrgenommen. Egal, was die Designer und Programmierer ins Rennen werfen.

Die alten Regeln gelten nicht mehr

In der vergangenen Woche hat Microsoft seine jährliche Entwicklerkonferenz abgehalten. In San Francisco, nicht in Seattle. Das ist kein Zufall, denn Microsoft sucht die Nähe zu Facebook, Apple und Google. In vielerlei Hinsicht.

Vergangenes Jahr tobte noch Steve Ballmer vor Tausenden Software-Entwicklern und Microsoft-Partnern über die Bühne des Konferenzzentrums. Es war ein Auftritt, wie man ihn kannte vom langjährigen Chef des Konzerns, der Auftritt eines Verkäufers, laut und einpeitschend. Dieses Jahr nun sprach Satya Nadella, der neue Chef seit zwei Monaten. Ein Informatiker. Er kam im schlichten blauen T-Shirt statt im Anzug, er sprach ruhig und bestimmt: "Ihr werdet für Windows entwickeln wollen, weil wir als Herausforderer antreten. Wir greifen an, indem wir in jeder Dimension erfindungsreich sein werden."

Nadella machte in den vergangenen Tagen immer wieder klar, dass die alten Regeln dabei nicht mehr gelten. Unter anderem verlangt Microsoft künftig keine Gebühren mehr von Geräteherstellern, die Windows auf Smartphones und kleinen Tablets installieren. Finanziell macht das zwar wenig aus, denn der Marktanteil ist in diesem Segment gering. Aber es ist ein grundlegender Bruch mit der Kernphilosophie des Konzerns: Einschlägige Software-Produkte wie Windows und Office niemals kostenlos herzugeben.

Das Handy-Windows steckt in einem Teufelskreis

Smartphones und Tablets und sind noch immer das drängendste Thema für Microsoft. Mitunter klingt das sehr bemüht, etwa wenn Joe Belfiore, der zuständige Bereichsleiter sagt: "Windows Phone ist das persönlichste Smartphone der Welt." Was auch immer das heißen soll.

Tatsächlich ist Windows Phone ein sehr gutes Betriebssystem, schnell und praktisch und elegant. Weit entfernt vom klobigen, umständlichen, hässlichen Windows vergangener Tage. Doch der Konzern steckt in einem anhaltenden Teufelskreis: Windows Phone findet nicht genügend Käufer, deswegen wollen Entwickler keine tollen Apps bauen, deswegen findet Windows Phone nicht genügend Käufer. umso länger das so weitergeht, umso erdrückender wird die Dominanz von Google und Apple. Für Verbraucher ist das keine gute Entwicklung.

Es wird ein spannender Kampf

Microsoft ermöglicht Entwicklern künftig eine "universelle App" für alle Geräte bauen zu können: eine einzige Anwendung, die auf Desktop, Tablet und Smartphone gleichermaßen läuft. "Google kann das nicht bieten", sagt Belfiore. "Wir sind die Ersten in der Industrie."

Es herrscht Aufbruchstimmung in diesen Tagen bei Microsoft. Das ist deutlich zu spüren, wenn man mit Programmierern und Managern spricht, auf der Entwicklerkonferenz in San Francisco oder auch im Hauptquartier in Redmond nahe Seattle. Der neue Chef wird anerkannt als Techniker, als einer, der Produkte bauen und nicht verkaufen will. Der bereit ist, mit den alten Traditionen des Konzerns zu brechen.

Doch da ist auch Nervosität. Viele sprechen von "wachsendem Druck". Von der Angst, in der mobilen Welt doch schon zu weit abgehängt zu sein. So weit, dass Microsoft irgendwann nur noch IT-Dienstleister für Geschäftskunden sein könnte, aber keine globale Konsum-Marke. Profitabel zwar, aber irrelevant.

Aber selbst wenn Microsoft nicht mehr um die ersten Plätze mitspielen sollte, verspricht die neue Angriffslust zumindest einen spannenden Abstiegskampf. Der Konzern sitzt auf enormen Bargeldreserven, rund 80 Milliarden Dollar, und die Gewinne sind auf absehbare Zeit gesichert. Microsoft schon jetzt abzuschreiben, wäre ein großer Fehler. Umso mehr Wettbewerb es gibt für die Fast-Monopolisten Apple und Google, umso besser.