In der Auseinandersetzung zwischen dem YouTuber Rezo und der CDU stellen sich zahlreiche Persönlichkeiten der Influencer-Szene hinter den 26-Jährigen. Per Video greifen sie politische Parteien wie CDU, CSU, SPD und AfD an. Mehr als 80 Internetstars riefen ihre Follower kurz vor der Europawahl dazu auf, keine der Parteien zu wählen. „Wählt nicht die CDU/CSU, wählt nicht die SPD“, heißt es. „Und wählt schon gar nicht die AfD.“ Nach der Veröffentlichung schlossen sich immer weiter YouTuber an.
Die „irreversible Zerstörung unseres Planeten“ sei leider kein abstraktes Szenario, sondern das berechenbare Ergebnis der aktuellen Politik, erklären die Influencer auf dem YouTube-Kanal von Rezo. „Die Experten sagen deutlich, dass der Kurs von CDU/CSU und SPD drastisch falsch ist und uns in ein Szenario führen wird, in dem die Erde unaufhaltsam immer wärmer wird, egal, was wir tun“, heißt es. „In dieser Welt sterben nicht nur viele Tierarten aus, sondern auch viele Menschen.“
Bei ihrer Kritik beziehen sie sich auf die Wissenschaft. Es gehe nicht um einzelne Expertenmeinungen, sondern um einen „überwältigenden Konsens unter Wissenschaftlern“, der sich auf unzählige unabhängige Studien und Untersuchungen stütze. „Wer diesen Konsens leugnet, so wie die AfD, oder nicht danach handelt, wie die aktuelle Regierung, hat nichts in der Führung eines aufgeklärten Landes zu suchen“, heißt es in der schriftlichen Erklärung, die unter dem Video gepostet ist.
Rezo hatte zuvor einen Clip gepostet, in dem er der CDU vorwirft, „unser Leben und unsere Zukunft“ zu zerstören. Es wurde bisher mehr als 7,6 Millionen Mal aufgerufen. Rezo warf der Partei unter anderem vor, beim Klimawandel untätig zu sein, Politik für Reiche zu machen und „krasse Inkompetenz“ beim Thema Urheberrecht und Drogenpolitik.
Später warf Rezo der CDU in der „Frankfurter Allgemeinen Woche“ ein Verhalten vor, das an US-Präsident Donald Trump erinnere. „Selbst wenn ein unter 30-Jähriger sich auf Wissenschaftler und Experten beruft, antwortet die CDU mit Lügen und geht inhaltlich gar nicht auf Argumente ein“, sagte er. Dies sehe man auch bei Trump, der mit dieser Masche ins Amt gekommen sei. „Er hat so viel Scheiße gelabert. Vielleicht haben da auch andere Politiker gemerkt: Ey, wir können einfach lügen und Bullshit reden, wir kommen damit durch.“
Nach heftigem Gegenwind auf erste abweisende Reaktionen lud die CDU Rezo schließlich zum Meinungsaustausch ein und bezeichnete Teile seiner Kritik als berechtigt. Eine zuvor angekündigte Video-Replik des CDU-Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor blieb aus. Wohl als Reaktion auf den Vorwurf, zu langsam angemessen auf die Kritik des YouTubers reagiert zu haben, veröffentlichte die CDU in einem Antwortschreiben an Rezo auch eine ausführliche Stellungnahme zu ihrem internen Entscheidungsprozess. Rezos Video spitze Kritikpunkte zu und verkürze, um zu provozieren.
Man habe in der CDU gemeinsam überlegt, wie „wir mit Deiner Kritik und der Form, in der Du sie packst, umgehen“, schrieb die Partei. Man habe immer wieder abgewogen, ob eine Antwort auf derselben Ebene – Video gegen Video – für die CDU die richtige und angemessene Antwort sei und „ob es der notwendigen politischen Auseinandersetzung hilft oder Politik zum Spektakel macht“.
„Organisiert euch, ladet uns ein, wir versprechen euch, wir kommen dazu“
Gerade von der CDU werde „in aufgewühlten Zeiten erwartet, dass sie überlegt, reflektiert und mit kühlem Kopf antwortet“, schrieb die Partei. „Verkürzen, verzerren, verdrehen – das ist Populismus. Überzeichnen, übertreiben, überspitzen: Wir distanzieren uns zu Recht von dieser Art, Politik zu machen.“ Auf eine steile These folge bei der CDU nicht die hastige Antwort. Über den Tag hinaustragende Antworten erforderten Zeit, Maß und Mitte. „Die Währung von YouTubern sind Klickraten. Die Währung einer Volkspartei wie der CDU ist Vertrauen“, betonte die Partei.
Die SPD reagierte ebenfalls mit einem Gesprächsangebot und der Werbung um Unterstützung auf die Kritik. Dazu posteten Generalsekretär Lars Klingbeil (41), Juso-Chef Kevin Kühnert (29) und der Europaabgeordnete Tiemo Wölken (33) ein eigenes Video auf Youtube. „Uns hat eure Kritik erreicht“, sagte Klingbeil. „Organisiert euch, ladet uns ein, wir versprechen euch, wir kommen dazu, egal ob Wahlkampf ist oder nicht.“
Kühnert betonte angesichts der Kritik an zu wenig Klimaschutz: „Wir brauchen nicht miteinander darüber zu streiten, dass der Klimawandel die wahrscheinlich größte Herausforderung ist, vor der wir stehen.“
Für gesellschaftliche Veränderungen brauche es aber Mehrheiten. Für die SPD sei das geplante Klimaschutzgesetz eines der wichtigsten Vorhaben. „Wir wollen, dass in diesem Klimaschutzgesetz die Gebrauchsanweisung drinsteht, wie wir das in unserer Gesellschaft in den nächsten Jahren machen.“ Die „ganzen Unionsminister“ müssten dann konkret sagen, was der Beitrag in ihren Bereichen sein solle.