Kolumne

Die Gewalt in Mexiko übertrifft jede TV-Serie

Ein Filmemacher wollte in Mexiko passende Drehorte für die Mafia-Serie «Narcos» aussuchen. Sein Tod illustriert besser als jeder Film, wie das organisierte Verbrechen operiert.

Nicole Anliker
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«Narcos». (Bild: Daniel Daza / Keystone)

«Narcos». (Bild: Daniel Daza / Keystone)

Mafia-Romantikern und Fans der Netflix-Serie «Narcos» muss ein Gewaltverbrechen von vergangener Woche besonders zu denken geben. Auf einer verlassenen Landstrasse im Gliedstaat Estado de México ist die Leiche von Carlos Muñoz Portal gefunden worden. Sein von Kugeln durchsiebter Körper lag in seinem Auto. Die genauen Umstände der Tat sind bis jetzt unklar und werden es angesichts der verbreiteten Straflosigkeit in Mexiko wohl auch bleiben. Gewiss ist hingegen, dass sich der 37-Jährige in einer der gefährlichsten Regionen des Landes aufgehalten hat. Nicht staatliche Sicherheitskräfte, sondern das organisierte Verbrechen hat hier die Kontrolle über den Lauf der Dinge; nirgends in dem Land ist die Mordrate derart hoch.

Genau deswegen war Muñoz Portal auch da. Der mexikanische Filmemacher hatte sich auf der Suche nach geeigneten Schauplätzen für die vierte Staffel von «Narcos» in die gefährliche Gegend begeben. Die erfolgreiche Serie spielt eigentlich im Drogenkrieg der achtziger und neunziger Jahre in Kolumbien und zeichnet den Aufstieg und Fall des schillernden Kokainkönigs Pablo Escobar nach. Die kommende Staffel soll aber in Mexiko spielen und vom dort ansässigen Juárez-Kartell handeln.

Die Absicht der Filmemacher, vor authentischer Kulisse zu drehen, wurde von der brutalen Realität des gegenwärtigen Drogenkriegs eingeholt. Mexikos Hinterland ist nicht Hollywood. Die Drogenkartelle lassen nicht mit sich spassen. Ein Fremder, der sich in ihren Revieren herumtreibt und Fotos von der Umgebung schiesst, ist ihnen suspekt. Und das ist ihnen Grund genug, ohne Vorwarnung zu töten.

Selbstverständlich biegen die Macher von «Narcos» die Geschichten des Drogenkriegs für die Fiktion zurecht und dramatisieren das eine oder andere. Sie wollen ja auch ein Millionenpublikum unterhalten. Die Mafia selber hat ihnen nun aber auf zynische Weise demonstriert, wie grausam sie in «echt» – jenseits aller Fiktion – agiert. Offen bleibt, ob Netflix an seinen Plänen, in Mexiko zu drehen, festhält.

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