WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Politik
  3. Deutschland
  4. Deutschland: 605 offene Haftbefehle gegen Mitglieder der rechten Szene

Deutschland Bundeskriminalamt

605 offene Haftbefehle gegen Mitglieder der rechten Szene

Reporter Investigative Recherche
Über 600 Haftbefehle gegen Rechte nicht vollstreckt

Bundesweit gibt es über 600 noch nicht vollstreckte Haftbefehle gegen Mitglieder aus der rechten Szene. Überwiegend gehe es dabei um Diebstahl, Betrug oder Beleidigung, so das Bundeskriminalamt.

Quelle: WELT/ Sebastian Struwe

Autoplay
Mehrere Hundert Haftbefehle gegen „Personen aus dem politisch rechten Spektrum“ sind laut BKA bisher nicht vollstreckt worden. Diebstahl, Betrug, Erschleichen von Leistungen, Beleidigung und Verkehrsdelikte sind zumeist die Ursache.

Das Bundeskriminalamt (BKA) hat in Deutschland momentan 605 sogenannte offene Haftbefehle gegen „Personen aus dem politisch rechten Spektrum“ registriert. Das bedeutet, dass diese noch nicht vollstreckt worden sind.

Die Haftbefehle sind 467 Personen zugeordnet. Dies erklärt das BKA damit, dass es für manche gleich mehrere Haftbefehle gibt. Die Daten stammen von der Abteilung Polizeilicher Staatsschutz in Meckenheim und sind bis zum Stichtag 28. September 2018 erhoben worden. Neuere Zahlen sollen im Mai vorliegen – sich aber nicht wesentlich davon unterscheiden.

Lesen Sie auch

Der Großteil der Haftbefehle (82 Prozent) ist wegen Diebstahl, Betrug, Erschleichen von Leistungen, Beleidigung oder Verkehrsdelikten ausgestellt worden. Zwölf Haftbefehlen liegt ein politisch rechts motiviertes Gewaltdelikt zugrunde.

98 weitere Haftbefehle bestehen wegen Straftaten „mit politisch rechter Motivation“ – etwa dem Verwenden von Kennzeichen rechtswidriger Organisationen, Volksverhetzungen und Beleidigungen. In allen Fällen laufen polizeiliche Fahndungsmaßnahmen. Offenen Haftbefehle wegen einer terroristischen Tat verzeichnet das BKA nicht.

Seit dem NSU werden Straftaten priorisiert

Die rechtsextreme Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), die in den Jahren von 2000 bis 2007 zehn Morde an Migranten und einer Polizistin verübt hatte, war der Auslöser dafür, dass das BKA die Haftbefehle inzwischen nach der Schwere der Delikte priorisiert. Ganz oben steht Terrorismus, dann Gewaltdelikte und zum Schluss alle anderen Straftaten.

Lesen Sie auch
Koblenz 17.Oktober 2018 Der Rechtsanwalt Wolfgang Stahl copyright: Alex Kraus Alex Kraus // Grabig 9 // 97833 Frammersbach // tel. 0049160 94457749 // alex@kapix.de
Beate Zschäpes Verteidiger

Die Zahlen belegen laut BKA, dass sich die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern „intensiv“ mit der rechten Szene auseinandersetzen. So seien in diesem Kontext 333 Haftbefehle allein zwischen März und September 2018 vollstreckt worden. „Das zeigt, dass die Polizei die Fahndungen mit Nachdruck und erfolgreich durchführt“, sagte BKA-Präsident Holger Münch.

Der Behördenchef freut sich außerdem über einen anderen Erfolg. Denn ein BKA-Team hat im Kampf gegen die organisierte Finanz- und Wirtschaftskriminalität erstmals „Methoden der Künstlichen Intelligenz“ eingesetzt. Um die Daten (2,7 Terabyte) aus den „Panama Papers“ hinsichtlich deutscher Straftaten systematisch auswerten zu können, wurden in monatelanger Kleinarbeit eigene Programme entwickelt. Als Panama Papers werden vertrauliche Unterlagen der panamaischen Dienstleistungsfirma Mossack Fonseca bezeichnet, die infolge eines Datenlecks 2016 an die Öffentlichkeit gelangt waren.

BKA bekam weiteres Daten-Paket

„Die Erlangung der Papiere durch das BKA bringt uns entscheidend weiter“, erklärte Münch. Das BKA habe durch die Auswertung einer Kopie der Daten zahlreiche deutsche und internationale Ermittlungen unterstützt, darunter etwa die zu den Morden an dem slowakischen Investigativjournalisten Ján Kuciak sowie der maltesischen Bloggerin und Journalistin Daphne Caruana Galizia. Darüber hinaus konnte das BKA mehrere Millionen Euro an „inkriminierten Geldern“ sichern.

Die Besondere Aufbauorganisation BAO OLET des BKA, die deutsche Straftäter ermittelt, war im Mai 2017 gegründet worden. Sie kooperiert mit Behörden rund um den Globus, von Kanada über Panama bis nach Südkorea. Diese haben Unterlagen aus dem BKA-Datenbestand erhalten. Durch die Recherchen in den Panama Papers konnten insgesamt 180.000 Ausweisdokumente mit Bezügen zu Briefkastenfirmen in Steueroasen („Offshore-Finanzplätzen“) entdeckt werden.

Anzeige

Dem BKA ist in der Folge ein weiteres Datenpaket zugespielt worden, welches zuerst das Recherchenetzwerk Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) besessen hatte. Dadurch können die Beamten Unterlagen zu dem Geldwäsche-Fall „Russian Laundromat“ – zu Deutsch „russischer Waschsalon“ – auswerten. In den Jahren 2012 bis 2014 flossen Milliarden von Euro aus Russland über ein weit verzweigtes Geldwäschesystem in den Westen.

Dabei soll ein hoher Manager einer lettischen Bank die Fäden gezogen haben. Zu den 1,3 Millionen Daten gehören Banküberweisungen, Rechnungen und Verträge. Das BKA ermittelt in diesem Fall ebenfalls gegen Straftäter aus Deutschland. In dem Material sollen einige Zehntausend Hinweise darauf enthalten sein.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema