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Australien lässt Millionen Katzen töten

Verwilderte Katzen töten in Australien jährlich 350 Millionen Vögel und 650 Millionen Reptilien. Deshalb soll die Population der Streuner bis 2020 um zwei Millionen vermindert werden.

In Australien leben Millionen verwilderter Katzen – Hauskatzen, die mit wenig oder gar keinem Kontakt zu Menschen leben. Sie werden für das Aussterben vieler einheimischer Arten verantwortlich gemacht. In der Rangliste der eingeschleppten Gefährder kommen die Katzen auf Rang 3, hinter dem europäischen Hasen und dem Hausschwein.

Laut einer im Juni 2018 veröffentlichten Studie des Threatened Species Recovery Hub töten die wild lebenden Katzen auf dem Kontinent pro Jahr insgesamt 650 Millionen Reptilien. 2017 hatte eine Studie derselben Forscher ergeben, dass verwilderte Katzen in Australien täglich eine Million Vögel töten, darunter vom Aussterben bedrohte Arten.

Der Threatened Species Recovery Hub wird von der Regierung unterstützt und wissenschaftlich von den zehn führenden Universitäten Australiens und der Artenschutzbehörde getragen. Gemäss dem neusten Bericht vom Februar 2019 bedrohen die streunenden Katzen in Australien 123 heimische Arten, vor allem Säugetiere, Reptilien und Vögel.

40 Eidechsen in einem Katzenmagen

Seit europäische Siedler Katzen im 17. Jahrhundert nach Australien mitbrachten, sollen einige Reptilienarten gänzlich ausgestorben sein. «Im Schnitt tötet jede verwilderte Katze 225 Reptilien pro Jahr», sagt der Studienleiter John Woinarski von der australischen Charles-Darwin-Universität.

Da es keine genauen Zahlen zu den Reptilienpopulationen gibt, ist das genaue Ausmass der Bedrohung schwer zu messen. Die australischen Behörden haben aber Massnahmen zum Schutz von Reptilien eingeleitet.

«Einige Katzen fressen erstaunlich viele Reptilien.» Die Forscher hätten zahlreiche Beispiele für regelrechte Fressattacken gefunden, fügte Woinarski hinzu. «Der Rekord waren 40 Eidechsen in einem einzigen Katzenmagen.»

Die Wissenschaftler untersuchten für die 2018 veröffentlichte Studie mehr als 10'000 Ernährungsproben von verwilderten Katzen, die von Experten im ganzen Land gesammelt worden waren.

Dabei stellte sich heraus, dass zum Speiseplan der Tiere 250 verschiedene Reptilienarten gehören – darunter Grosse Wüstenskinks, Bartagamen und Geckos. Elf bedrohte Arten zählen zu den von verwilderten Katzen gefressenen Reptilien.

Zwei Millionen Katzen töten

Um ein Gebiet in der Wüste wurde ein elektrischer Zaun errichtet, um eine katzenfreie Zone zu schaffen. Dort sollen sich vom Aussterben bedrohte heimische Tiere ungestört vermehren können. Das ist aber nur eine Massnahme, um die australischen Arten zu schützen.

Gleichzeitig soll die Population der Katzen drastisch reduziert werden. Bis 2020 will die australische Regierung zwei Millionen der beliebten Haustiere töten lassen. Bei der Festlegung dieses Ziels ging man in einer Schätzung aus dem Jahr 2015 von bis zu 18 Millionen auf dem Kontinent lebenden, wilden Katzen aus. Diese Zahlen wurden allerdings mittlerweile korrigiert, tatsächlich sollen es nur etwa 6 Millionen der Vierbeiner sein.

83 Prozent werden abgeschossen

Das Dezimierungsziel wurde allerdings nie angepasst. Seit zwei Jahren werden die verwilderten Katzen nun systematisch getötet. Täglich streuen Jäger Tausende vergiftete Köder quer durch das Hinterland, auch mithilfe von Flugzeugen. Als Begleiterscheinung werden dabei auch gleich europäische Füchse getötet, eine ebenfalls eingeschleppte Problemtierart. Jäger stellen zudem Fallen auf und schiessen die Katzen mit Gewehren oder auch mit Pfeil und Bogen. Der Abschuss ist bislang am erfolgversprechendsten – im ersten Jahr wurden fünf von sechs getöteten Raubtieren geschossen, wobei neben Jägern auch Farmer einen grossen Teil dazu beigetragen haben, wie das «New York Times Magazine» schreibt.

Eine Reporterin der Zeitung hat in Australien Katzenforscher begleitet, Zoologen beim Versuch der Wiederansiedlung von bedrohten Arten beobachtet und mehrere Katzenjagden dokumentiert. Sie hat mit Wissenschaftlern gesprochen, die mit GPS-Trackern versuchen, das Verhalten der Tiere in der australischen Wildnis zu verstehen und den Einfluss auf die heimische Artenvielfalt abzuschätzen. Sie hat den Mann getroffen, der die Giftwürste herstellt, welche über dem Kontinent abgeworfen werden. Und sie ging mit Mitgliedern von Sportschützenvereinen auf nächtliche Pirschen. Diese Vereine hätten in Australien Einfluss und organisierten sich für die Jagd auf «unerwünschte Tiere» – ziemlich erfolgreich, wie es in der Reportage im «Times Magazine» heisst.

Zweifel an der Wirksamkeit

Die Dezimierung der Streuner wird vielerorts allerdings nicht gern gesehen. Als die Regierung 2015 erstmals die Pläne vorstellte, sprachen Tierschützer von Katzengenozid, und vor allem die Besitzer der rund 2,7 Millionen Hauskatzen in Australien waren nicht erfreut. Sie befürchteten, dass auch ihre Lieblinge fälschlicherweise als Streuner abgeschossen oder vergiftet werden könnten. Die Empörung, Unterschriftensammlungen und Kampagnen auf sozialen Medien nützten aber nichts, die Regierung hielt an ihren Plänen fest – zwei Millionen Streuner müssen bis 2020 weg.

Im Februar 2019 veröffentlichten fünf australische Ökologieforscher ihre Erkenntnisse dazu und warfen der Regierung vor, dass die Ausmerzungspläne auf einer schwachen wissenschaftlichen Basis beruhen. So habe man die Anzahl der wild lebenden Katzen falsch eingeschätzt, man könne den Fortschritt der Dezimierung kaum zuverlässig überprüfen, und das Ziel der zwei Millionen getöteten Katzen sei nicht an eine tatsächliche Verbesserung für die Fauna gekoppelt.

Die Wissenschaftler werfen der Regierung vor, dass die Katzenvernichtung ein Ablenkungsmanöver sei, um eine viel wichtigere Bedrohung für die Biodiversität zu verbergen: der menschengemachte Lebensraumverlust durch Abholzung der Wälder und den Bergbau.

Werde das Ziel von zwei Millionen getöteten Katzen erreicht, heisse das deshalb nicht, dass damit etwas für die bedrohten Arten gemacht wurde, sagen die Forscher. Für sie ist der Dezimierungsplan deshalb rein politisch motiviert, die Regierung stemple die wilden Katzen zum Schuldigen für einen Artenverlust ab, der viele Ursachen habe.

«Fremdenfeindlichkeit»

Gegenüber der Reporterin der «New York Times» geht Biologe Daniel Ramp sogar noch einen Schritt weiter. Er ist Direktor des Centre for Compassionate Conservation in Sydney. Er spricht von «Fremdenfeindlichkeit» gegenüber den eingewanderten Arten. Es sei erstaunlich, wie viel Hass es gebe.

Australien würde lieber akzeptieren, dass die verwilderten Katzen nun ein Teil des Ökosystems seien, anstatt einen Zustand aus längst vergangenen Zeiten wiederherstellen zu wollen. Eine solche Einmischung des Menschen sei willkürlich.

Ramp ist zudem der Meinung, dass die heimischen Arten den Katzen nicht chancenlos ausgeliefert seien. Vielmehr habe der Versuch der Menschen, die heimischen Arten zu retten, sie schutzlos gegenüber dem stärkeren Raubtier gemacht.

sda/afp/anf