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Meinung Genozid

Was ein Völkermord ist. Und was gerade in Syrien geschieht

„Wir sind bereit, mehr zu unternehmen“

Nach dem Angriff auf eine syrische Militärbasis durch das US-Militär, drohen die USA mit weiteren schlägen. Die Bundesregierung macht allein den syrischen Machthaber Assad für die Eskalation verantwortlich.

Quelle: N24 / Dagmar Mayerhofer

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Donald Trump handelte mit seinen Angriffen auf eine syrische Militärbasis nach dem Prinzip der „Schutzbedürftigkeit“ von Menschen. Eine neue Form der humanitären Intervention.

In seinen „Studien über Hysterie“ von 1895 will Sigmund Freud die Begrenztheit seiner Heilmethode einräumen, ohne deshalb doch gleich auf sie zu verzichten: „Sie werden sich überzeugen, dass viel damit gewonnen ist, wenn es uns gelingt, Ihr hysterisches Elend in gemeines Unglück zu verwandeln. Gegen das letztere werden Sie sich mit einem wieder genesenen Nervensystem besser zur Wehre setzen können.“

Es scheint, dass betroffene Syrer Trumps Bombardierung des Giftgasflughafens al-Schairat am 7. April 2017 ähnlich empfunden haben. Sie bringt ihnen keinen Frieden und schwächt das Regime nur begrenzt, ist aber das erste handfeste Hilfezeichen seit sieben Jahren und mindert den Eindruck, gänzlich verlassen und verloren zu sein.

Trump steht als Weltpolizist vor vielen Fragezeichen

Syrien, Nordkorea, Russland - Trumps Präsidentschaft steht vor vielen außenpolitischen Herausforderungen. Bei vielen Themen ist noch unklar, wie er reagieren wird. Es geht um bisherige Allianzen.

Quelle: N24/Larissa Herber

Die völkerrechtliche Rechtfertigung für grenzüberschreitende humanitäre Eingriffe ist vergleichsweise eindeutig bei Völkermord, weil sich jeder Unterzeichner der einschlägigen UN-Konvention „zu dessen Verhütung und Bestrafung“ verpflichtet hat.

Die UN-Charta umgehen

Bei Mord an Menschen, die es nicht als „nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe“ trifft, ist das Vorgehen schwieriger. Fast alles, was gegen einen Einsatz spricht, ist denn auch mit vollem Recht gegen Präsident Trump ausführlich und weltweit vorgebracht worden.

Aufgrund solcher Legalitätsfragen hat 2001 die von Kanada initiierte Internationale Kommission zu Intervention und Staatensouveränität das Konzept der „Schutzverantwortung“ (Responsibility to Protect) vorgestellt.

Es will zwei starke Hindernisse für humanitäre Interventionen aushebeln. Dabei geht es um den Artikel 2 (Abs. 4) der UN-Charta, der allen Mitgliedern untersagt, „die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates“ durch „Androhung oder Anwendung von Gewalt“ zu gefährden.

Zudem betrifft es das Veto von Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates, die Einsätze gegen Regime verhindern, von denen ein „Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung“ ausgeht, wofür sie nach einer Ausnahmeregelung aus Artikel 39 derselben Charta sehr wohl militärisch in die Schranken gewiesen werden dürfen.

Keine Rache, nur Waffen werden zerstört

Da die Schutzverantwortung im Notfall ohne Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat wahrgenommen wird, ist die Verhältnismäßigkeit der Mittel allerhöchstes Gebot.

Racheakte verbieten sich. Auch tödliche Strafaktionen gegen Verdächtige sollen unterbleiben, um späteren Gerichtsprozessen nicht vorzugreifen.

„Eine einmalige Aktion, sie ist in eine Strategie eingebettet“

Die Ankündigung Trumps, dass der Angriff in Syrien eine einmalige Aktion ist, sei eine wichtige Botschaft. Das betont Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Damit würde Assads Giftgaseinsatz geahndet.

Quelle: N24

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Hingegen gilt das Zerstören von Waffensystemen für das Verüben der Verbrechen als fast ideale Umsetzung des Schutzgedankens. Wenn das – wie im Falle Trumps – auch noch mit Vorwarnungen verbunden wird, fallen Einwände schwer.

Dass Syriens Bürgerkrieg auch nach al-Schairat weitergeht, kann mithin keinen Einwand gegen Versuche begründen, genozidale Handlungen zu erschweren. Die Möglichkeit, dass morgen weitere Verbrechen erfolgen, entwertet heutige Versuche zu ihrer Erschwerung in keiner Weise.

Auch der gewöhnliche Berufsverbrecher kann auf die Passivität der Polizei nicht deshalb rechnen, weil er morgen von Neuem zuschlagen will.

Der Autor (*1943) hat 1993 an der Universität Bremen Europas erstes Institut für vergleichende Völkermordforschung gegründet

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