Selbstachtung ist gerade für die, die kaum Geld haben, ein innerer Halt. Obdachlose freuen sich über Geld. Sie freuen sich aber noch viel mehr darüber, wenn man mit ihnen ganz normal spricht. Kleinrentner brauchen Geld. Aber noch viel mehr brauchen sie das Gefühl, nicht als Versager eingestuft zu werden. Dasselbe gilt für Alleinerziehende mit Grundsicherung. Sie alle haben ein sehr feines Gefühl dafür, die Würde abgesprochen zu bekommen. Es braucht keine Worte, damit sie sich zurückgesetzt fühlen. Das kann einfach durch bestimmte Situationen geschehen. Womit man bei der Essener Tafel wäre, die jetzt bis auf Weiteres keine Flüchtlinge mehr bedient, weil ältere Deutsche wegbleiben.
Sie bleiben nicht aus Rassismus weg, das sei mit aller Vorsicht vor Generalisierungen gesagt. Es mag welche geben, denen die Flüchtlinge zu fremd sind, zu laut, vielleicht zu anmaßend. Ältere bleiben aber eher weg, weil da jetzt junge kräftige Menschen anstehen, die zwar Flüchtlinge sind, aber eben aus Sicht der Älteren zumeist auch jung und kräftig, und die vor allem deshalb kommen, weil die Erstaufnahmelager sie entlassen haben. Das ist keine Armutslinderung, das ist Übergangshilfe. Es ist auch nicht das erste Mal, dass jemand sich scheut, die Tafeln aufzusuchen. Das Gefühl, am falschen Ort zu sein, hat früher eingesetzt. Und es ergreift nun diejenigen, die selber einmal der Anlass dafür waren, dass Bedürftige sich von den Tafeln abwandten.
Schon lange sind Obdachlose manchen Essenstafeln stillschweigend ferngeblieben, weil eben auch Rentner und Alleinerziehende dort anzustehen begannen – Menschen, die Angst vor der Obdachlosigkeit hatten und damit auch vor Obdachlosen. Das Unbehagen, mit bereits Wohnungslosen in einer Reihe anstehen zu müssen, teilt sich diesen ohne Worte mit – gerade weil die Blicke nicht Verachtung verraten, sondern die Angst, dort zu landen, wo die Wohnungslosen bereits sind. Auch in den Sozialämtern, die seit den Hartz-Reformen vielerlei Antragsteller in einem Warteraum vereinen, ist solche Abgrenzung spürbar. Die meiste Kritik an den Reformen kommt von Arbeitssuchenden, die den Eindruck haben, sie würden nun mit hoffnungslosen Fällen auf eine Stufe gestellt.
Die Essener Tafel ist keine Staatsinstitution. Sie darf tun, was ihrem Vereinszweck dient. Sie begrenzt den Zugang nicht aus Fremdenfeindlichkeit, sondern um diejenigen zu achten, denen ihre Fürsorge gilt. Sie hat richtig gehandelt. Die Übergangshilfe für Flüchtlinge gehört in andere Hände.