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Schwarz-roter Streit um Putin-Politik Stresstest Russland

Dialog? Oder Konfrontation? Die Russland-Politik sorgt zunehmend für schlechte Stimmung in der Großen Koalition. In der SPD ist man inzwischen ziemlich genervt von den Sticheleien des "kleinen Koalitionspartners" CSU.
Roter Platz in Moskau: Welcher Umgang mit Putin ist der richtige?

Roter Platz in Moskau: Welcher Umgang mit Putin ist der richtige?

Foto: Corbis

Berlin - Koalitionsausschüsse sind auch dazu da, die Stimmung zu heben. Bei gutem Essen und ein paar schönen Getränken versuchen die Bündnispartner in der Regel, den Kurs für die kommenden Monate abzustecken. Das Kalkül: Streit soll im Regierungsalltag gar nicht erst entstehen.

So gesehen kommt das Treffen der Spitzen von Union und SPD am kommenden Dienstag ein wenig spät. Ausgerechnet die Außenpolitik sorgt für ernste Spannungen im schwarz-roten Bündnis. Der Koalitionsgipfel dürfte von der Frage dominiert werden, auf welchen Kurs die Bundesregierung Moskau gegenüber setzt: Konfrontation oder Dialog?

Vor allem CSU-Chef Seehofer hat Gesprächsbedarf angemeldet. Weil Außenminister Frank-Walter Steinmeier - möglicherweise auch mit Blick auf Angela Merkel - zuletzt zu einer gemäßigten Tonlage gegenüber der Regierung von Wladimir Putin aufgerufen hatte, wirft der Christsoziale den Sozialdemokraten vor, eine gemeinsame Haltung gegenüber Moskau zu torpedieren. Er wolle "Klarheit von Sigmar Gabriel", sagte Bayerns Ministerpräsident dem SPIEGEL. "Unterstützt die SPD die Bemühungen unserer Kanzlerin oder nicht?"

Führende Außenpolitiker der SPD fühlen sich damit zu Unrecht in die Ecke der Russlandfreunde gestellt. Sie verweisen darauf, dass Steinmeier mit seinen europäischen Amtskollegen erst kürzlich neue Sanktionen gegen Verantwortliche der Separatisten in der Ostukraine beschlossen hätte. "Grundsätzlich begrüße ich, dass sich unser kleiner Koalitionspartner auch mal mit Außenpolitik beschäftigt. Aber in der Sache handelt es sich bei Seehofer um überflüssige Sticheleien", sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Niels Annen SPIEGEL ONLINE.

Egon Bahr tritt bei Verschwörungstheoretikern auf

Auch Vizefraktionschef Rolf Mützenich rüffelte Seehofer. "Wenn Herr Seehofer sich unbedingt profilieren möchte - bitte schön. Wir sollten dann nur auch darüber reden, dass sein Vize Peter Gauweiler auf die Krim reisen wollte und der außenpolitische Sprecher der Union, Philipp Mißfelder, auf Gerhard Schröders Geburtstagsparty mit Wladimir Putin war."

Dass sich die Stimmung in der Koalition mit Blick auf Russland zunehmend verschlechtert, dürfte durchaus im Sinne Seehofers sein. Er weiß, wie sensibel das Thema für die Sozialdemokraten ist. Schon zu Beginn der Ukraine-Krise hatte sich angedeutet, wie unterschiedlich das Agieren Moskaus in der SPD gesehen wird, legendäre Außenpolitiker wie Egon Bahr forderten früh mehr Verständnis für das Agieren der ehemaligen Supermacht. Ex-Kanzler Gerhard Schröder feierte mit Russlands Präsidenten. In der vergangenen Woche hatte Matthias Platzeck, Chef des Deutsch-Russischen Forums, mit der These für Verwunderung gesorgt, man müsse die Abspaltung der Krim von der Ukraine völkerrechtlich regeln.

An diesem Wochenende irritierte dann wieder Bahr mit einem Auftritt bei einer sogenannten "Friedenskonferenz" in Berlin, auf der sich allerlei Verschwörungstheoretiker um den umstrittenen Publizisten Jürgen Elsässer versammelten, um über das Russland-Bild des Westens herzuziehen.

"Herr Seehofer sieht Dinge, die es gar nicht gibt"

Auch Steinmeier scheint zu ahnen, dass das Thema Russland für seine Partei noch unangenehm werden könnte. Hier die Klartext-Kanzlerin und dort Putins Freunde bei den Genossen - ein solches Bild soll in der Öffentlichkeit erst gar nicht entstehen. Differenzen zwischen ihm und Merkel? Das sei "an den Haaren herbeigezogen", sagte Steinmeier dem SPIEGEL. Platzecks Forderung wies er im Interview ebenfalls zurück.

Annen und Mützenich appellierten an den Koalitionspartner, den Konflikt nicht noch anzuheizen. Kanzlerin und Außenminister seien in ihren unterschiedlichen Rollen zuletzt bemüht gewesen, das Gespräch mit Moskau zu suchen, sagt Mützenich: "Das weiß auch Seehofer. Außenpolitik sollte in diesen angespannten Zeiten kein Forum für innenpolitische Debatten sein." Annen sagt: "Herr Seehofer sieht Dinge, die es gar nicht gibt."

Die Russland-Politik dürfte allerdings noch ein Weile Reizthema bleiben. Dafür könnte auch eine andere Entscheidung sorgen. Die Bundesregierung will den Petersburger Dialog stärker mit Moskau-Kritikern besetzen. Platzecks Deutsch-Russisches Forum soll vom Dialog entkoppelt werden. Die Idee dafür stammt aus der Feder von Unions-Außenpolitiker Andreas Schockenhoff und der Grünen Marieluise Beck, Kanzler- und Außenamt unterstützen die Initiative offenbar.

Dass die Bundesregierung sich in einer sensiblen außenpolitischen Frage von einer Grünen führen lässt, sorgt in der SPD für Verwunderung. Es sei richtig zu überlegen, wie man einen institutionellen Dialog mit Moskau aufbauen könne, sagt Mützenich. Hauptaufgabe aber, so schränkt er ein, müsse sein, "verloren gegangenes Vertrauen wieder aufzubauen". Es klingt, als sei das letzte Wort in dieser Causa noch nicht gesprochen.