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Treffen in St. Petersburg: Rechte unter sich

Foto: imago/ ITAR-TASS

Neonazi-Treffen in Russland Moskaus rechtsradikale Internationale

NPD-Mann Voigt ein "Antifaschist"? Auf die Idee muss man erst mal kommen. Beim "Russischen Konservativen Forum" in Sankt Petersburg wurden Rechtsradikale aus ganz Europa gefeiert - als Teil einer perfiden Strategie.

Nicht viele deutsche Rechtsextremisten können von sich behaupten, es in Russland weiter gebracht zu haben als Udo Voigt. Am Wochenende trat der Ex-Chef der NPD als Redner auf einer Konferenz in Sankt Petersburg auf.

Im Zweiten Weltkrieg stand die Wehrmacht nur wenige Kilometer vor der Stadt. Die Belagerung dauerte 900 Tage, fast eine Million Menschen kamen dabei ums Leben.

Die Organisatoren der Tagung "Russisches Konservatives Forum" beförderten Voigt ungeachtet seiner Sympathie für das Dritte Reich ("Zweifellos handelt es sich bei Hitler um einen großen deutschen Staatsmann") dennoch zum Stargast. Gut möglich, dass der Überschwang der russischen Gastgeber insgeheim auch Voigt etwas zu weit ging. Auf Twitter erklärte jedenfalls Alexej Schurawljow, Fraktionsmitglied der Kreml-Partei Einiges Russland im Parlament, den Europaabgeordneten der NPD (Wahlslogan: "Gas geben") kurzerhand gar zum "Antifaschisten".

Voigt revanchierte sich, indem er - ganz im Kreml-Duktus - die angebliche "Kriegstreiberei" des Westens in der Ukraine-Krise geißelte. Im Übrigen sei "Deutschland nach wie vor fremdbesetztes Gebiet und von jedweder Souveränität weit entfernt", Europa "hoffnungslos überfremdet und vom Gender-Wahnsinn heimgesucht".

Gemeinsam gegen die Sanktionen der EU

Voigt sprach zu lauter Gleichgesinnten. Vertreter zahlreicher rechtsextremer Parteien und Bewegungen waren auf Einladung der russischen Veranstalter nach Sankt Petersburg gereist, darunter der italienische Neofaschist Roberto Fiore, Wolen Sidorow von der fremdenfeindlichen bulgarischen Partei Ataka und Vertreter der neonazistischen Morgenröte-Partei aus Griechenland.

Die russische Partei Rodina ("Vaterland") hatte das Treffen organisiert, ihr Gründer ist der russische Vizepremier und Hardliner Dmitrij Rogosin. Ziel soll die Gründung eines gemeinsamen "Koordinationsrats" der Rechtsextremisten sein, so schwebt es den Veranstaltern vor. Es ist eine Art "Nationalistische Internationale", ihr Manifest stammt aus einer Rede von Kreml-Chef Wladimir Putin. Der Präsident hatte 2013 "Exzesse der politischen Korrektheit" gegeißelt und behauptet, dass "viele euro-atlantische Länder ihre Wurzeln leugnen".

Geplant waren in Sankt Petersburg Gespräche, wie Russland und die Rechtsextremisten gemeinsam gegen die Sanktionen der Europäischen Union in der Ukraine-Krise vorgehen könnten. Bei den vergangenen Europawahlen waren viele Nationalisten ins Europaparlament eingezogen, sie könnten sich dort für russische Positionen starkmachen.

Moskaus Kalkül hinter dem Pakt mit den Rechtsextremisten zielt aber über die Sanktionsdebatte hinaus. Der Kreml will die Kräfte vom Rand starkmachen, um die zumeist Putin-kritischen Regierungen vieler EU-Staaten unter Druck zu setzen. Das bekannteste Beispiel ist die enge Zusammenarbeit mit Frankreichs Front National, der Millionenkredite aus Russland bekommt.

Die Unterstützung des Front National weckt offenbar auch Begehrlichkeiten. Am Rande der Tagung in Sankt Petersburg ließ der britische Holocaust-Leugner Nick Griffin die "Moscow Times" wissen, er würde gern eine "Geschäftsbeziehung mit Russland zum gegenseitigen Nutzen" entwickeln.

Griffin leistet der russischen Propaganda seit Jahren treue Dienste. Vor vier Jahren etwa behauptete er als "ausländischer Beobachter" im russischen Staatsfernsehen, die massiv manipulierten russischen Parlamentswahlen seien "viel fairer gewesen als in Großbritannien".

Berichte aus dem "umkämpften Donbass"

Die Abgesandten aus Europa kamen bei der Tagung zusammen mit Vordenkern und Aktivisten der russischen Rechten. Einer von ihnen ist Alexej Miltschanow und wurde den Konferenzteilnehmern vorgestellt als "Offizier der Volksrepublik Donezk". Vor seiner Karriere als Frontkämpfer im Ukraine-Konflikt war Miltschanow ein bekannter Sankt Petersburger Skinhead. Im Internet kursieren Fotos, auf denen er mit Hakenkreuzfahne posiert. Für einen Skandal sorgte Miltschanow, als er vor einigen Jahren einen Hundewelpen köpfte und Aufnahmen davon im Netz verbreitete.

Voigt freute sich auf seiner Facebook-Seite über die Berichte "aus erster Hand aus dem umkämpften Donbass" von den neuen russischen Kameraden. Verbrüderungen deutscher und russischer Neonazis sind meist nur von kurzer Dauer: So propagierten Russlands Nationalisten 1993 einen "Kurs der deutsch-russischen Annäherung". Nur anderthalb Jahre später kündigten die Partner von der Deutschen Volksunion (DVU) den Pakt wieder auf. Ihnen war ein SPIEGEL-Interview von Russlands Nationalistenführer Wladimir Schirinowski aufgestoßen. Er hatte darin erklärt, die Welt solle Angst vor Russland haben und Deutschland - für die damals selbstbewusste DVU besonders schmerzhaft - müsse so klein wie Österreich sein.


Zusammenfassung: In Sankt Petersburg trafen sich Vertreter rechtsextremer Parteien aus ganz Europa. Auch der NPD-Politiker Voigt war dabei. Russland will dadurch offenbar Einfluss auf Regierungen in EU-Staaten bekommen.