Kaum eine Branche ist so innovativ wie die Pornobranche. Von der Verbreitung von Super-8-Filmen über VHS hin zu Onlinebezahldiensten und Streamingplattformen hat die Pornobranche mehr Einfluss auf neue Technologien gehabt, als viele denken. Als das nächste große Geschäft gelten die virtuelle Realität und Sexroboter. Doch jenseits des Mainstreams entdeckt eine kleine Szene derzeit etwas anderes für sich: Software, mit der sich die Gesichter von Pornodarstellern durch die von Prominenten ersetzen lassen.

Deepfakes heißen die daraus resultierenden Clips in der Szene – in Anlehnung an den gleichnamigen Reddit-Nutzer, der Ende des vergangenen Jahres den Trend mit gefälschten Pornovideos von unter anderem Scarlett Johansson, Taylor Swift und Gal Gadot losgetreten hatte. Das entsprechende Reddit-Forum hat mittlerweile knapp 30.000 Abonnenten, die auf neue Videos und Gifs warten. Oder selbst welche erstellen und mit anderen teilen – was in diesem Fall zwar unrechtmäßig ist, in der Praxis aber schwer zu verfolgen. Doch zu den rechtlichen Aspekten später mehr. 

Das Phänomen, ein Gesicht mithilfe von Software mit einem anderen auszutauschen, ist nicht neu. Gefälschte Promi-Pornos gibt es seit Jahrzehnten und mit dem sogenannten face swapping haben sowohl Plattformen wie Yahoo als auch Apps wie Snapchat dasselbe Prinzip in ihre Dienste integriert – weniger, um damit möglichst realistische Fakes zu erstellen, sondern in erster Linie als Gag: Je absurder der swap, desto besser das Meme.

Mit neuronalen Netzwerken zu besseren Fakes

Neu ist die Technik, die mittlerweile eingesetzt wird. Ist das swapping bei Fotos noch vergleichsweise einfach, wirkt es in Videos häufig krude. Das ändert sich jetzt. Das Forschungsprojekt Face2Face etwa erlaubt, in Echtzeit die Mimik und Bewegungen eines aufgenommenen Gesichts auf das eines Menschen ein einem Video zu übertragen. Experten des Chipherstellers Nvidia können mittlerweile Winteraufnahmen zu Sommeraufnahmen machen und eine dritte Software versucht, den "fotografischen Blick" zu lernen.

Möglich machen all das Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz, genauer gesagt Deep Neural Networks. Diese neuronalen Netzwerke (deren Funktionsweise wir hier ausführlicher erklären) werden mit großen Datenmengen trainiert und können anschließend selbstständig neue Verknüpfungen erstellen. Sie sind deshalb vielfältig einsetzbar, was nun – nicht wirklich überraschend – die Porno-Enthusiasten entdeckt haben.

Im Gespräch mit dem Onlinemagazin Motherboard erklärte der Nutzer namens Deepfakes im Dezember, wie einfach es sei, einen halbwegs ansehnlichen Face Swap hinzubekommen. Er hat inzwischen eine eigenständige Anwendung namens FakeApp entwickelt, mit der auch andere Nutzer Videos verändern können, ohne großes Vorwissen zu haben. FakeApp basiert auf Software, die gratis verfügbar ist; Google etwa bietet mit TensorFlow ein neuronales Netzwerk an, das auch die psychedelischen Bilder von DeepDream hervorgebracht hat.

Zwischen Zombie und Hollywood

Um eine kurze Szene mithilfe von FakeApp zu fälschen, benötige es mindestens 400 bis 500 Bilder der "Zielperson", sagt der Entwickler. Je mehr Fotos, je schärfer diese sind und aus je mehr Blickwinkeln, desto besser. Auch sollten die Personen, deren Gesichter getauscht werden, sich einigermaßen ähnlich sehen. Zwischen sechs und zwölf Stunden wird das neuronale Netzwerk dann trainiert, bevor das Ergebnis fertig ist: In diesem Fall animierte Gifs, die bloß einige Sekunden lang sind. Komplette Szenen oder gar ganze Filme benötigen noch einmal deutlich mehr Input und Training: Zu viele Bewegungen und Einstellungen überfordern die Algorithmen derzeit noch.

So soll es nicht aussehen ... © Screenshot

Überhaupt sind viele der auf Reddit vorgestellten Experimente, sowohl zu Porno- als auch zu Parodiezwecken, mehr gruselig denn sexy. Von über dem Kopf fliegenden Augenbrauen bis hin zu entstellten Gesichtern ist alles dabei. Aber es gibt auch Versuche, die erstaunlich echt wirken oder zumindest mit leicht zusammengekniffen Augen eine Illusion aufrechterhalten könnten. In einem Versuch hat Deepfakes eine Szene aus Star Wars: Rogue One mit Prinzessin Leia neu erstellt. Das Ergebnis ist nicht viel schlechter als das Original, das aus den Computern der Special-Effects-Abteilung in Hollywood stammt.

Deepfakes will seine Software in den kommenden Wochen verfeinern. "Nutzer sollen ein Video auf ihrem Computer auswählen können, ein neuronales Netzwerk mit einem Gesicht aus einer Datenbank drüber laufen lassen und dann ein neues Video mit getauschten Gesichtern herausbekommen", sagte der anonyme Entwickler Journalisten von Motherboard.