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Hooligan-Krawalle Die plötzliche Bedrohung

Nach den Krawallen in Köln ist die Ratlosigkeit unter Politikern groß: Haben die Behörden die Gefahr eines Bündnisses von Rechtsextremen und Hooligans unterschätzt? Und wie lassen sich solche Ausschreitungen künftig verhindern?
Anti-Salafisten-Demo von Hooligans in Köln: Ein neues Phänomen

Anti-Salafisten-Demo von Hooligans in Köln: Ein neues Phänomen

Foto: WOLFGANG RATTAY/ REUTERS

Berlin/Köln - SS Siggi war auch dabei in der Kölner Innenstadt. Hinter dem Spitznamen verbirgt sich der blonde Hüne Siegfried Roland Borchardt, einer der prominentesten Neonazis Deutschlands - und Gründungsmitglied der Dortmunder Hooligan-Gruppe "Borussenfront", die den örtlichen BVB unterstützt.

Bei ihm gehörten Rechtsradikalismus und Hooliganismus schon immer zusammen. Aber wie ist es mit dem Rest der rund 4000 Männer, die am Sonntag unter dem scheinbar politischen Motto "Hooligans gegen Salafisten" durch Köln zogen und sich Straßenschlachten mit der zahlenmäßig weit unterlegenen Polizei lieferten?

Nach den Ausschreitungen in Köln ist die Republik schockiert. Die Politik streitet über rechtliche Konsequenzen, die Polizei drängt auf mehr Personal - und viele fragen sich: Wie konnte das passieren? Der harte Kern der Fußball-Fans, Neonazis, Rocker, sie alle sammelten sich. Dass diese Milieus sich gerne prügeln, ist bekannt. Aber dass sie nun zu Tausenden auf Politik machen wollen und mit fremdenfeindlichen Parolen gemeinsam auf die Straße gehen, das ist neu.

Hätte man die Gefahr trotzdem erahnen können?

Verfassungsschutz wiegelte bisher ab

Die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS), die die gewaltbereite Fußballszene in Deutschland beobachtet und auswertet, geht für die vergangenen Jahre von einem Anteil von unter fünf Prozent rechtsradikal motivierter Gewalttäter in den Stadien aus . Und auch im aktuellen Verfassungsschutzbericht  wird die Hooliganszene im Zusammenhang mit Rechtsextremismus nur am Rande erwähnt. So seien "einzelfallbezogene Überschneidungen" bekannt, heißt es. "Dennoch kann auch hier keine strukturelle und flächendeckende Zusammenarbeit auf ideologischer Ebene festgestellt werden."

Aber wie ist es dann zu erklären, dass sich plötzlich Tausende Hooligans zum Anti-Salafisten-Protest zusammenrotten, als eine Art rechter Mob? Das ist nicht ganz einfach zu beantworten: Zum einen ist da der simple Slogan, der unter dem Hashtag "HoGeSa" durch die sozialen Netzwerke waberte. Aber da ist auch das gemeinsame Feindbild Islam und eine Großstadt im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Viele Dinge kamen in Köln zusammen. Schon geht die Sorge um vor weiteren Aktionen dieser Art. So gibt es offenbar Pläne, im November in Berlin zu demonstrieren.

Politisch fallen die Geschehnisse vom Wochenende in eine heikle Zeit. In Berlin wird seit Wochen über eine Verschärfung der Sicherheitsgesetze debattiert, wenn auch vor allem mit Blick auf die wachsende Zahl der Salafisten. Jetzt geht es um die Frage, wie man Gewaltausbrüche rechter Hooligans verhindern kann, und manche Innenpolitiker in der Koalition wittern die Chance, eine härtere Gangart durchzusetzen.

Es droht Streit in der Koalition

Mehr Geld für Verfassungsschutz und Polizei, eine schärfere Auslegung des Demonstrationsrechts - es kursieren etliche Ideen. Dazu gehört auch die Forderung, soziale Netzwerke stärker zu überwachen. Der Innenexperte der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer (CSU) warnt davor, Massenverabredungen zu Krawallen im Internet, etwa über Facebook und Twitter, zu unterschätzen. "In Zukunft wird es verstärkt darauf ankommen, dass der Verfassungsschutz und die Polizei diese Entwicklungen intensiver ins Blickfeld nehmen", so Mayer.

Die Debatte könnte für Zwist in der Koalition sorgen, denn es geht auch mal wieder um die Frage, wie gut die Behörden den Rechtsextremismus im Blick haben. Die SPD fordert bereits mehr Wachsamkeit gegenüber gewaltbereiten Rechtsradikalen. "Wir sollten uns von den vermeintlichen ruhigeren letzten Jahren nicht täuschen lassen: Diese Szene ist größer, als viele annehmen", sagt der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Burkhard Lischka.

Auf den Bundesjustizminister könnte nun Arbeit zukommen. Heiko Maas ist in einer schwierigen Lage. Seit Wochen mahnt der Sozialdemokrat, gegenüber Salafisten nicht allzu sehr auf repressive Maßnahmen zu setzen. Ähnliche Töne schlägt er auch jetzt mit Blick auf rechte Gruppierungen wieder an. "Wer Gewalt in Deutschlands Städte trägt, der muss mit allen Mitteln des Rechtsstaats verfolgt und bestraft werden", sagt er. Zugleich betont Maas: "Wir müssen Radikalisierung schon an den Wurzeln bekämpfen."

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Die Opposition will nun rasch die Frage klären, inwieweit die Behörden die Gefahr des Rechtsextremismus unterschätzt haben. "Enge Verbindungen zwischen Hooligangruppen und der Neonazi-Szene bestehen seit Jahren", sagt Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz. Und es sei davon auszugehen, dass das Bündnis weiter wachsen werde. Er werde deshalb, so kündigte Notz an, das Thema auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Innenausschusses setzen lassen.