Konflikte zwischen Verwaltung und Gerichtsjustiz kennt jeder Rechtsstaat. In Deutschland wurden bisher solche Auseinandersetzungen eher zwischen der Finanzverwaltung und dem Bundesfinanzhof beobachtet. Dieses Mal ist es aber nicht der deutsche Steuerzahler, der sich beim „Pingpong“ von Gerichtsurteil und Nichtanwendungserlass die Augen reibt.
Das höchste Berliner Strafgericht erregt die Aufmerksamkeit der gesamten Krypto-Industrie. Diese junge Ökonomie setzt auf neuartige Blockchain basierte Geschäftsmodelle. Alle Marktakteure, die Handel mit Bitcoin, Ethereum und Internet-Token betreiben, fragen sich unterdessen, welche Folgen der Freispruch des Kammergerichts für den Bitcoin-Händler haben wird.
Im aktuellen entschiedenen Fall des Kammergerichts (Urteil vom 25.09.2018 – Az. 161 Ss 28/18) wurde dem Angeklagten vorgeworfen, dass er Bankgeschäfte ohne die Erlaubnis der Finanzaufsicht BaFin betreibt, weil er vor einigen Jahren eine Kryptobörse im Internet aufgebaut hat. In der Verwaltungspraxis der BaFin stellt die Kryptowährung Bitcoin ein Finanzinstrument nach dem Kreditwesengesetz (KWG) dar, deren Handel einer Bankerlaubnis bedarf.
Wer mit Finanzinstrumenten ohne eine entsprechende Erlaubnis handelt, der macht sich strafbar – so das Gesetz. Jeder aus der Finanzdienstleistungsbranche weiß, bei Verstößen gegen die Vorgaben der BaFin ist der Staatsanwalt mit seinen Strafverfolgungsbehörden nicht weit. Diese Angst diszipliniert die alten Banken und die neuen FinTechs.
Der Angeklagte kann jedenfalls seit Ende September durchatmen. Der Zug durch die Instanzen der Berliner Strafgerichte hat sich gelohnt. Er wurde freigesprochen, da das Kammergericht einen Verstoß gegen Bank- und Strafgesetze durch seine Bitcoin-Handelsplattform verneint hat.
Was ist nun erlaubt, was ist verboten?
Die Rechtsposition der Finanzaufsicht, dass der Bitcoin ein Finanzinstrument ist und dem KWG und damit auch den Strafnormen unterfällt, findet sich seit einigen Jahren in einer BaFin-Publikation verbrieft. Das Kammergericht hält dagegen.
Es argumentiert, dass die Kryptowährung von keiner Zentralbank, öffentlichen Behörde oder keinem rechtlich zu fassenden Emittenten ausgegeben wird und über keine Wertbeständigkeit verfügt. Das Gericht sieht eine Kompetenzüberschreitung der BaFin, wenn sie den Bitcoin als devisenähnliche Rechnungseinheit und Finanzinstrument im Sinne des Aufsichtsrechts kategorisiert und intransparente Strafbarkeitsrisiken für den Bürger schaffe.
Dies sei – so der Strafsenat – mit dem grundgesetzlich geforderten Bestimmtheitsgrundsatz nicht zu vereinbaren. Jeder Bürger müsse genau wissen, durch welches Verhalten er sich strafbar mache.
Folgen für die junge Krypto-Branche
Nach der Ansicht des Gerichts ist der Fall klar: Es ist nicht die Aufgabe der Finanzaufsicht ihre Befugnisse ohne gesetzliche Grundlage zu erweitern. Soweit im Finanzmarktrecht zum Schutz des Verbrauchers Regelungsbedarf besteht, ist der Gesetzgeber aufgefordert, rechtsgestaltend Regelungslücken zu schließen.
Ohne Zweifel dürfte das rechtspolitische Echo des Urteils auch bei den Verantwortlichen der BaFin zur Kenntnis genommen worden sein. Trotz der klaren Worte des Strafsenats wird die BaFin durch das Urteil jedoch rechtlich nicht gebunden.
Es ist anzunehmen, dass nach dieser Entscheidung die Rufe nach dem Gesetzgeber zunehmen werden. Dieser könnte mehr Klarheit und Rechtssicherheit in die Blockhain- und Krypto-Industrie bringen. Es wäre wünschenswert, wenn er mit Bedacht Instrumente entwickeln würde, die sowohl dem Anlegerschutz als auch der Entwicklung der jungen innovativen FinTech-Branche Rechnung trägt.
Solange werden sowohl Krypto-Dienstleister als auch Start-ups, die über die digitalen Börsengänge (ICOs) ihre Projekte finanzieren, weiterhin mit der bestehenden Rechtsunsicherheit leben müssen.
Der Autor ist Rechtsanwalt bei Rose & Partner und BILANZ-Kolumnist.