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Ein Künstler, der Menschen glücklich macht: Janosch wird 85

Ein Künstler, der Menschen glücklich macht: Janosch wird 85

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1490C800D7379371.jpg Foto: dpa
Seine Geschichten machen viele Menschen glücklich. Sein eigenes Leben war lange genau das Gegenteil. Jetzt wird Janosch 85 Jahre alt.

Berlin. 

Dr. Brausefrosch, das ist der Arzt aus dem Kinderbuch „Ich mach dich gesund, sagte der Bär“. Und wie heißt der Röntgenarzt?, könnte man eine Gruppe Kindergartenkinder heute fragen; und alle würden im Chor rufen: „Na, Dr. Walterfrosch natürlich.“ Ob nun diese beiden Figuren oder die bekannteren wie der kleine Tiger, der Bär und die Tigerente – die kleinen Helden von Janosch sind legendär. Seit er sie 1976 das erste Mal zeichnete, gehören ihre Abenteuer zu den Verkaufsschlagern unter den Kinderbüchern. Ihre Reise ins Paradies, „Oh, wie schön ist Panama“, wurde weltberühmt.

Auf die Frage, wie Janosch, der als Horst Eckert vor 85 Jahren auf die Welt gekommen ist, auf die Geschichten rund um den Bären und Tiger gekommen ist, antwortet er eher pragmatisch: „Gott schenkte mir den Befehl, einen kleinen Tiger und den anderen zu erfinden. Damit ich nicht arbeiten muss.“

Ewig sitzen bleiben und weg sein, wenn die Sintflut kommt

Seit 30 Jahren lebt er auf Teneriffa, wen wundert es da, dass sein größter Wunsch zum Geburtstag folgender ist: „Dass ich hier ewig sitzen kann und die Sintflut erst kommt, wenn ich ganz weg bin. Also NACH meiner Himmelfahrt.“ Eine neue Biografie („Wer fast nichts braucht, hat alles“, Ullstein Verlag, 320 Seiten) ist nun pünktlich zu seinem Geburtstag erschienen. Und sie erzählt von harten Brüchen in Janoschs Leben, von Gewalt in der Kindheit und anfänglichem Misserfolg.

Seine Kindheit nennt Janosch schlicht: die Hölle. Horst Eckert wird 1931 in der polnischen Bergarbeiterstadt Zabrze in einen Blecheimer geboren. Seine Familie zählt zu den „Reichen“ im Grubenhaus Nummer 6 am Ciupkaweg, weil sie sich sonntags eine Mahlzeit aus Hühnerresten und Kohl leisten kann.

Der Vater säuft und prügelt

Abends kommt der Vater Johann oft betrunken nach Hause, erbricht sich und brüllt seine Frau Hildegard an: „Das ist meine Wohnung, hier kann ich kotzen, so viel ich will. Geh weg!“ Später habe er sie zum „gewaltsamen Geschlechtsverkehr“ gezwungen.

Manchmal holt der Vater seine Lederpeitsche und verdrischt den Sohn. Brüllt, dass er ihn totschlagen werde.

Die Mutter ist nicht viel besser. Wenn sie mit dem Jungen allein ist, droht sie: „Wenn du dich noch einmal dreckig machst, hacke ich dir die Finger ab.“ Später schlägt sie ihn, bis der Junge keine Luft mehr bekommt.

Auch in der Schule setzt es Prügel von denen, denen es noch schlechter geht. Und in der Hitlerjugend, weil er zu den Schwachen gehört.

Nach dem Krieg wohnt Janosch in einem Hühnerhaus

Im Buch wird erzählt, wie die Erinnerungen an seine Kindheit ihn noch Jahrzehnte später quälen: „Jede Nacht gegen vier Uhr wache ich auf, und dann kommt diese teuflische Kindheit in den Kopf“, schrieb er seiner Biografin Angela Bajorek. Der deutsch-polnischen Germanistin ist das Außergewöhnliche gelungen, dem scheuen Janosch über fünf Jahre lang in Hunderten von E-Mails die Geschichte seines Lebens zu entlocken. Am Ende ihrer Arbeit schrieb er ihr: „Ich werde niemals mehr jemandem so viel über mich sagen.“ Daraus entstand Angela Bajorek Janosch-Biografie.

Als er 13 Jahre alt ist, wird die Familie nach dem Zweiten Weltkrieg 1946 umgesiedelt. Janosch, der mit nichts anderem als Glück „eine Art Typhus“ überlebt, wohnt die nächsten Jahre mit seiner Familie im niedersächsischen Bad Zwischenahn – im Hühnerhaus eines Bauern. Ohne Abitur beginnt er als Maschinenreiniger in einer Baumwollspinnerei.

1949 folgt die Wende, mit 50 D-Mark in der Tasche zieht er für eine Ausbildung an der Textilfachschule nach Krefeld. Sein erster Schritt in Richtung Kunst, die ihm die Welt eröffnete: Die 50er-Jahre erlebt er in Paris zwischen Philosophen und den Liedern Juliette Grécos.

Kunsthochschule München lehnt ihn zweimal ab

In diesen Jahren lehnt ihn auch die Kunsthochschule in München zweimal ab. Er träumt vom Malen, ist frustriert und sucht sich selbst in München und Südfrankreich. Der Erfolg stellt sich erst 1956 ein, als er für die „Süddeutsche Zeitung“ und die „Zeit“ schreibt. Für eine halbe Flasche Cognac schließt er mit dem Verleger Lentz seinen ersten Buchvertrag ab. Das Buch sollte „die Kinderbuchtanten erschrecken“.

Der Rest ist Literaturgeschichte. Mehr als 300 Bücher, die in 40 Sprachen übersetzt wurden, schreibt Janosch. Aus seinen Illustrationen entstehen Fernsehserien und Hunderte Produkte. 1993 erhält er das Bundesverdienstkreuz.

Zurückgezogen auf Teneriffa, verbringt er heute viel Zeit in seiner Hängematte. „Freiheit, kein Anzug“, wiederholt er wie ein Mantra. Bär, Tiger und Tigerente, die in den 90er-Jahren jede Brotdose und Tasse zieren, machen ihn anfangs reich, später allerdings fühlt sich der Künstler sogar von ihnen verfolgt.

„Ich halte die Tigerente für Kitsch“

n einem Rechtsstreit versäumt er es, sich die Rechte für die Nutzung seiner Figuren zu sichern. Bis heute fühlt er sich in dieser Angelegenheit als Opfer eines Missbrauchs. „Scheiß-Tigerente“, schimpft er in einem Dokumentarfilm. „Ich halte die für Kitsch.“ Später nimmt er die harten Worte über seine Heldin zurück.

Dass Janosch kein einfacher Gesprächspartner ist, zeigt sich an seinen Antworten, die er uns per E-Mail schickt: „Herr Eckert, wie geht es Ihnen?“, fragt man ihn höflich. „Ich soll Herr Eckert heißen?? Niemals heiße ich so!!“, schreibt Janosch zurück.

Worauf er sich freue? „Dass es hier mindestens noch zwei Jahre wahrscheinlich nicht regnen wird.“ Wie er den Tag seines 85. Geburtstag verbringe? „Nichts geplant. Gott plant für mich. Denn Sein Wille geschieht doch. Ob ich das will oder nicht will.“

Später erfährt man, dass am großen Tag ein Fisch gebraten und eine Flasche Wein geöffnet werden wird. Von Herzen die besten Wünsche, möchte man ihm ausrichten.