Naja, ganz so würde ich (Historiker) das nicht so sehen. Das Phänomen der ‘Technikfeindschaft’ ist doch eines, das bereits um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. eine große Rolle hier in Deutschland spielte, und das gewöhnlich unter dem Begriff “Lebensreform” zusammengefasst wird. “Zurück zur Natur!” (und wider allem, was als ‘unnatürlich’ aufgefasst wurde, war schon damals der Schlachtruf. Diese Gegenbewegung gegen Fortschritt, gegen Industrialisierung und Technik, dieses tiefe Misstrauen gegen Wissenschaft, zumal Naturwissenschaft und diese letztliche Negierung des Fortschrittsglauben im Verbund mit dem Wehklagen gegen eine durch die Naturwissenschaft entzauberte Welt, zieht sich vom 19. jahrhundert durch bis in unsere Gegenwart. Die Ablehnung der gentechnik gehört dabei genauso dazu wie die Ablehnung der Atomkraft und das Träumen von irgendeiner Natur, die für Freiheit, Gesundheit und Friedfertigkeit stehen würde - und das dann versucht wird wiederzugefinden in irgendwelchen ‘urbanen Gärten’, in Träumen von einem Landleben, im Abendteuer- und Natururlaub. Ich denke nicht, dass wir hier eine ‘Furcht vor dem Unbekannten’ haben, sondern vielmehr eine zum Kult erhobene Bewältigungsstrategie des modernen Stadtmenschen bzgl. eben der Moderne und ihren zum Teil alltäglichen Anforderungen. Wer hat den Probleme mit Gentechnik? - Doch meist gar nicht irgendwelche menschen aus dem Arbeitermilieu, sondern vielmehr die sog. Mittelschicht und ihre Kinder. Wer wählt den Grün? - Ist das icht vor allem das gehobene Beamtentum in Form von Lehrern, Ärzten, Anwälten usw… Wer kann es sich den leisten im Biomarkt einzukaufen und sich damit zu brüsten, dass er nur gen-freie Lebensmittel essen würde? Von daher dürfte bei ihrem Erlebnis mit dem ‘Ingenieur’ noch etwas anderes eine Rolle gespielt haben, vielleicht war das sogar die Hauptrolle: Es ging ihm im tieferen Sinne vielleicht gar nicht darum, ob sein Essen genetisch modifiziert ist oder nicht - was er sowieso nicht feststellen kann anhand der Lebensmittel selbst -, sondern vielmehr darum, sich als ‘kritisch Mitdenkender’ und somit Angehöriger des (Bildungs-)Bürgertums zu erweisen und um dann auf dieser Ebene mit ihnen ein ‘Zugehörigkeitsgefühl’ qua im Übereinstimmen derjenigen Ansichten, die typische Merkmale eines sich selbst als kritisch und aufgeklärt verordneten Bürgertums bilden, zu erzeugen.
Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.