In ihren besten Zeit hat die Enthüllungsplattform Wikileaks die Mächtigen genervt und bloßgestellt. Mittlerweile summieren sich allerdings die Kollateralschäden – WikiLeaks nervt jetzt auch Unschuldige und bringt manche von ihnen in Gefahr. Von einigen besonders krassen Beispielen berichtet die Nachrichtenagentur Associated Press (AP).

Allein in den vergangenen zwölf Monaten habe WikiLeaks zahlreiche medizinische Unterlagen von normalen Bürgern sowie private, finanzielle und andere Informationen Hunderter anderer veröffentlicht, heißt es in dem Bericht. In zwei Fällen habe WikiLeaks ungeschwärzte Dokumente veröffentlicht, aus denen die Namen jugendlicher Vergewaltigungsopfer hervorgehen.

Die AP hält die Namen der Betroffenen unter Verschluss, um sie zu schützen, hat nach eigenen Angaben aber mit 23 Betroffenen vor allem aus Saudi-Arabien gesprochen. Manche hätten nichts davon gewusst, dass die Informationen über sie von WikiLeaks veröffentlicht wurden. Manchen sei es egal gewesen. Und manche seien entsetzt gewesen, weil die Dokumente persönliche Informationen enthalten, die nicht einmal nächste Verwandte kennen und kennen sollten.

Namen und Diagnosen von Patienten in psychiatrischer Behandlung

Die Daten der Unschuldigen sollen im geleakten E-Mail-Archiv des Democratic National Comittee (DNC), in den angeblichen AKP-Mails aus der Türkei sowie in den Saudi Cables zu finden seien. Tatsächlich ist es leicht, zum Beispiel psychiatrische Untersuchungsberichte in den Saudi Cables zu identifizieren. ZEIT ONLINE kann auch bestätigen, dass sie die Namen der Patienten sowie Diagnosen und Behandlungsempfehlungen enthalten.

Mindestens 500 der arabischen Dokumente enthalten dem AP-Bericht zufolge Informationen aus Reisepässen, Arbeitsverträgen und Universitätsunterlagen. Hinzu kämen Dutzende von Nachrichten, die private Angelegenheiten enthalten – wie Hochzeitsbescheinigungen, in denen steht, ob die Braut noch Jungfrau ist, oder auch Schuldscheine sowie die Namen von Menschen, deren Partner an HIV erkrankt sind. Solche Informationen könnten etwa Stalkern und Erpressern nutzen.

In den USA berichteten zwei Menschen, dass sie aufgrund von persönlichen Daten, die in den DNC-Leaks veröffentlicht wurden, von Identitätsdieben ins Visier genommen worden seien. In den DNC-Unterlagen finden sich nach Angaben der AP unter anderem Sozialversicherungs- und Kreditkartennummern.

Malware in den von WikiLeaks veröffentlichten Dateien

Dass WikiLeaks auch mit der Veröffentlichung der angeblichen AKP-Mails persönliche Daten von Unschuldigen in die Welt gesetzt hat, ist wiederum kein neuer Vorwurf. Die in der Türkei geborene und heute in den USA arbeitende Soziologin Zeynep Tufekci hatte WikiLeaks bereits Ende Juli dafür kritisiert. Die E-Mails seien zudem keine brisanten internen Nachrichten der türkischen Regierungspartei, schrieb sie. Vielmehr seien es größtenteils E-Mails an die Partei aus einer Google-Gruppe, die nach Tufekcis Angaben Rezepte, Geburtstagsglückwünsche und andere politisch völlig unbedeutende Inhalte enthalten.

Zudem sind Hunderte der Dateien aus diesem Leak mit Malware verseucht. WikiLeaks-Nutzer, die diese Dateien herunterladen, fangen sich unter Umständen Schadsoftware ein. Das hat zwar nichts mit dem Schutz von Unbeteiligten zu tun, wohl aber mit Unvermögen oder Unwillen von WikiLeaks, Dokumente vor der Veröffentlichung genau zu überprüfen.

Update: Auf Twitter nennt Wikileaks den AP-Bericht "lächerlich", ohne die Vorwürfe zu entkräften. Auf eine E-Mail mit Fragen von ZEIT ONLINE hat WikiLeaks bisher nicht reagiert.