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Meinung Integration

Deutsche Muslime, werdet endlich Staatsbürger!

Das Grundgesetz sieht anders aus: Islamisten verteilen am Potsdamer Platz in Berlin kostenlos den Koran Das Grundgesetz sieht anders aus: Islamisten verteilen am Potsdamer Platz in Berlin kostenlos den Koran
Das Grundgesetz sieht anders aus: Islamisten verteilen am Potsdamer Platz in Berlin kostenlos den Koran
Quelle: picture-alliance / dpa/ped tmk
Das Gerede vom europäischen Islam bringt nichts, solange sich Muslime in Deutschland nicht als Bürger dieses Landes begreifen. Sie sollten sich entsprechend benehmen – politisch und gesellschaftlich.

Der größte Feind in den Augen der Muslime ist nicht der Christ, der Jude oder der Westen, sondern der „angebliche Muslim“. Seit der Islam existiert, haben die Muslime ein nettes Hobby: Wenn ihnen das Verständnis oder die Praxis des Islam ihrer vermeintlichen Glaubensbrüder oder -schwestern nicht passen, dann werden sie ganz einfach exkommuniziert. Jeder Muslim beansprucht die absolute Wahrheit für sich selbst und meint, den „wahren Islam“ auszuleben. Die anderen, „die da, das sind keine Muslime“.

Das gilt für die IS-Terroristen, die Missliebigen den Kopf abschneiden, wie auch für die säkulare Elite in der Türkei, die am Bosporus an ihrem Champagner nippt und sich über die Barbaren ärgert. Sie alle bezeichnen sich selbst als Muslime – und Nicht-Muslime hierzulande und in Europa sind zu Recht verwirrt; wer ist hier der „richtige Muslim“, und wer lebt den „richtigen Islam“? Sind der Islam und die Muslime friedfertig, oder handelt es sich um eine Religion, die einen Nährboden für grausame Verbrechen bietet? Das sind aber die falschen Fragen und Forderungen an die Muslime hierzulande, gerade wenn es um den Kampf gegen ihre ideologischen und terroristischen Radikalisierungen geht.

Der Islamkritiker Hamed Abdel-Samad fordert die muslimischen Eliten Deutschlands wie Islamverbände, Journalisten und Intellektuelle auf, sich aktiv gegen solche Radikalisierungen zu wenden. Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, hingegen hält seine Hand schützend vor die deutschen Muslime, die mehrheitlich friedlich seien, und erwartet von den Islamkritikern, Gleiches zu tun, statt Kollektivbeschuldigungen auszusprechen: Wirkliche Courage habe derjenige, der sich vor die Muslime stelle und sie verteidige.

Erst ist man Staatsbürger und Nutznießer wie Verteidiger demokratischer Rechte. Dann kommt die Religion

Ich widerspreche beiden. Lange habe ich auch geglaubt, dass zuallererst Islamverbände zur Verantwortung gezogen werden müssten, wenn es um den zivilgesellschaftlichen Kampf gegen antidemokratische, gewalttätige und menschenfeindliche Gedanken und Handlungen unter den Muslimen in Deutschland geht. Doch die muslimische Elite alleine kann sich nicht gegen eine Geisteshaltung wehren, die unter den Menschen aggressiv verbreitet wird und seit Langem – auch hier in Europa – schon fest verankert ist.

In Wirklichkeit geht es doch um etwas anderes: Erst ist man Staatsbürger und Nutznießer wie Verteidiger demokratischer Rechte. Dann erst kommt die Religion. Anders gesagt: Wenn man sich für Integration und gegen Multikulturalismus entschieden hat, muss man zuallererst seine Pflichten als Bürger wahrnehmen und Werte wie Menschenrechte und Demokratie verteidigen. Erst an zweiter Stelle kommt die ethnische und religiöse Identität.

In Deutschland handelt niemand als Christ allein, sondern als Staatsbürger. Muslime sollten also als Bürger dieses Landes auf die Straße gehen und im Koranunterricht, in den Schulen und sogar beim Einkaufen nicht Propaganda für den Islam machen, sondern für die Demokratie werben. Meiner Meinung nach ist dies die größte Schmach des Islam, dass die Muslime in Deutschland dies nicht hinbekommen haben. Sie sind besessen von ihrer Religion. Freiheit und Toleranz? Sind das wirklich Werte für viele?

Muslime dürfen sich nicht nur auf ihre religiöse Identität reduzieren und ihren Glauben über ihre Rechte und Pflichten als Bürger einer Demokratie stellen

Kann man sich vorstellen, dass in Krisenzeiten wie diesen, wo nicht nur die Vernichtung des kurdisch-syrischen Kobani ein Menetekel darstellt, sondern auch die Straßenkämpfe in Deutschland viele ängstigen, deutsche Muslime den Koran zur Seite legen – und das Grundgesetz verteilen? Bin ich naiv, wenn ich mir wünsche, sie sollten nicht immer nur aus dem Koran rezitieren, wenn es um Freiheit und Toleranz geht, sondern aus der Europäische Menschenrechtscharta lesen? Muslime und Nicht-Muslime in diesem Land, die sich als Demokraten bezeichnen, haben die Pflicht, unsere Demokratie zu schützen.

Die Tatsache, dass in muslimischen Gemeinden die Freitagsgebete auch auf Deutsch gehalten werden, wie Aiman Mazyek schreibt, ist völlig bedeutungslos, solange Muslime – unabhängig in welcher Sprache – sich nicht aktiv für unsere demokratischen Werte einsetzen. Die da wären: Gleichberechtigung der Geschlechter, das Recht auf sexuelle Orientierung, das Recht, aus der Religion auszutreten, sich nicht zum Tragen des Kopftuches zwingen zu lassen – weder vom Staat noch von der Gemeinschaft oder der Familie. Alle diese Rechte und Freiheiten können auch für jene gelten, die fünfmal am Tag beten, an Ramadan fasten und nach Mekka pilgern.

Muslime dürfen sich aber nicht nur auf ihre religiöse Identität reduzieren und ihren Glauben gar über ihre Rechte und Pflichten als Bürger einer Demokratie stellen. Das ist leider die deutsche Krankheit, und daher halte ich auch das Gerede vom europäischen Islam für fadenscheinig, wenn es diese Hierarchie nicht akzeptiert: zuerst Bürger, dann Muslim. Alle die eingewanderten und hier geborenen Menschen muslimischen Glaubens sollten endlich in einem so offenen und wohlwollenden Land wie Deutschland beweisen, dass sie wahre Demokraten sein können. Die Welt wartet auf solche Signale!

Es wird höchste Zeit, dass muslimische Demokraten ihr Gesicht zeigen
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Unser Problem ist nicht nur, dass sich Muslime im Namen ihrer Religion bereit erklären, Gewalt anzuwenden, sondern – wie Hamed Abdel-Samad richtig feststellt – islamische Terrorgruppen wie der IS eine kreischende Fangemeinschaft haben. Das bedeutet aber eben nicht, dass der Ursprung des Bösen im Islam selbst liegt, sondern vielmehr, dass antidemokratische Wertesysteme in Familien, Gemeinden und in den Medien wirken. Gerade deshalb brauchen wir eine demokratische Gegenbewegung, initiiert von Muslimen selbst. Aber wo ist sie? Der IS greift das europäische Wertesystem an. Wir müssen es verteidigen.

Cigdem Toprak ist 27 Jahre alt, Deutsche mit türkisch-zazaischen Wurzeln, freie Journalistin und Studentin am Institute of Middle Eastern Studies am King’s College London
Cigdem Toprak ist 27 Jahre alt, Deutsche mit türkisch-zazaischen Wurzeln, freie Journalistin und Studentin am Institute of Middle Eastern Studies am King’s College London
Quelle: Privat

Der Islamische Staat rekrutiert unsere Mitbürger. Junge Menschen, die das Glück haben, in einem wohlhabenden, sicheren und freien Land wie Deutschland zu leben, geben dieses Glück gedankenlos weg und werden Täter und Opfer zugleich im blutigen Kampf für ein menschenfeindliches Wertesystem, in dem Morde, Vergewaltigung und Menschenhandel als gerechtes Mittel gesehen werden, um in den Himmel zu gelangen. Das ist himmelschreiend!

Es wird höchste Zeit, dass muslimische Demokraten ihr Gesicht zeigen, nicht nur gegenüber der Mehrheitsgesellschaft, sondern den Muslimen selbst. Dann werden die von Mazyek so abschätzig „Islamkritiker“ Genannten sich auch schützend vor ebenjene Muslime stellen und gemeinsam mit ihnen Courage zeigen.

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