Twitter ohne Regeln :
Im rechtsfreien Raum

Michael Hanfeld
Ein Kommentar von Michael Hanfeld
Lesezeit: 2 Min.
Liebt die Heldenpose: Elon Musk
Elon Musk macht aus Twitter eine gefährliche Hassmaschine. Daran ändert auch das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz nichts, wie man bei einem Prozess jetzt sehen kann.
Elon Musk verwandelt Twitter in einen rechtsfreien Raum. Zuerst ließ er darüber abstimmen, ob Donald Trump zum Kurznachrichtendienst zurückkehren solle, dann über eine „Generalamnestie“ für gesperrte Accounts. An den Umfragen beteiligte sich nur ein Bruchteil der Nutzer – bei der Frage nach der Amnestie drei von knapp 240 Millionen Nutzern. Doch das hindert Musk nicht daran, zu behaupten „das Volk“ habe gesprochen. Für Hass, Hetze, Troll- und Bot-Attacken gibt es also kein Halten mehr. Die EU und die Bundesregierung glauben derweil, Twitter habe Recht und Gesetz in der Europäischen Union zu achten.

Twitter interessiert das alles nicht

Folgen wir dem Anwalt Chan-Jo Jun, ist das nicht so. Er vertritt den baden-württembergischen Antisemitismusbeauftragten Michael Blume vor dem Landgericht Frankfurt gegen Twitter. Der Konzern, so der Vorwurf, habe 43 herabwürdigende Tweets nicht rechtzeitig gelöscht, wie es das Netzwerkdurchsetzungsgesetz bestimmt. Den Anwalt Chan-Jo Jun beunruhigt ein Auszug aus der Klageerwiderung des Musk-Konzerns.

Demzufolge sagt Twitter International nicht nur, es müsse sich nicht an das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz halten, weil dieses gegen das „Herkunftslandprinzip“ verstoße. Der Konzern behaupte auch, die Bundesrepublik habe zugesichert, „dass das Bundesamt für Justiz bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung“ in einem anderen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Köln „keine Maßnahmen gegenüber Twitter International anordnen wird“. Chan-Jo Jun spricht von einem „Deal“, den Twitter mit dem Bundesamt und Bundesjustizminister Marco Buschmann geschlossen habe.

So etwas gebe es nicht, entgegnete das Ministerium auf Anfrage des Redaktionsnetzwerks Deutschland und des „Spiegels“. Es handle sich vielmehr um eine „Stillhaltezusage“, die man dem Verwaltungsgericht Köln gegenüber abgegeben habe. Im Klartext heißt das: Wir haben ein Gesetz, aber keinen, der es durchsetzt. Alle Räder stehen still, wenn Twitter es will. Für Meta/Facebook und Google gilt das genauso. Die EU bildet sich ein, das mit ihren neuen Digitalgesetzen zu ändern. Doch das ist Wunschdenken.