Twitter ohne Regeln : Im rechtsfreien Raum
Twitter interessiert das alles nicht
Folgen wir dem Anwalt Chan-Jo Jun, ist das nicht so. Er vertritt den baden-württembergischen Antisemitismusbeauftragten Michael Blume vor dem Landgericht Frankfurt gegen Twitter. Der Konzern, so der Vorwurf, habe 43 herabwürdigende Tweets nicht rechtzeitig gelöscht, wie es das Netzwerkdurchsetzungsgesetz bestimmt. Den Anwalt Chan-Jo Jun beunruhigt ein Auszug aus der Klageerwiderung des Musk-Konzerns.
Demzufolge sagt Twitter International nicht nur, es müsse sich nicht an das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz halten, weil dieses gegen das „Herkunftslandprinzip“ verstoße. Der Konzern behaupte auch, die Bundesrepublik habe zugesichert, „dass das Bundesamt für Justiz bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung“ in einem anderen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Köln „keine Maßnahmen gegenüber Twitter International anordnen wird“. Chan-Jo Jun spricht von einem „Deal“, den Twitter mit dem Bundesamt und Bundesjustizminister Marco Buschmann geschlossen habe.
So etwas gebe es nicht, entgegnete das Ministerium auf Anfrage des Redaktionsnetzwerks Deutschland und des „Spiegels“. Es handle sich vielmehr um eine „Stillhaltezusage“, die man dem Verwaltungsgericht Köln gegenüber abgegeben habe. Im Klartext heißt das: Wir haben ein Gesetz, aber keinen, der es durchsetzt. Alle Räder stehen still, wenn Twitter es will. Für Meta/Facebook und Google gilt das genauso. Die EU bildet sich ein, das mit ihren neuen Digitalgesetzen zu ändern. Doch das ist Wunschdenken.