EU-Digitalisierungsziele: Deutschland reißt bald die nächste Frist

Bis Mitte Dezember müssen alle EU-Länder ehrgeizige Digitalisierungsziele erreichen. Spoiler: Deutschland hinkt mal wieder besonders weit hinterher.

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Deutschland verpasst Digitalisierungsziele

(Bild: Thomas Kuhlenbeck)

Lesezeit: 8 Min.
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Ein wichtiges Etappenziel zur Digitalisierung der Verwaltung hat Deutschland neulich verfehlt: Laut Onlinezugangsgesetz (OZG) mussten die Behörden bis Ende Dezember rund 580 Onlinedienste bereitstellen – für Bauanträge, Elterngeld, Wohnsitzummeldung & Co. Doch zum Stichtag waren gerade einmal rund 100 Leistungen flächendeckend online.

Bald läuft für die Behörden die nächste Frist ab, gesetzt von Brüssel statt Berlin: Bis zum 12. Dezember 2023 müssen sie die Single-Digital-Gateway-Verordnung (SDG) der EU umsetzen.

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Das im Oktober 2018 erlassene Gesetz ist außerhalb von Verwaltungskreisen bislang kaum bekannt, es verlangt aber ehrgeizige Digitalisierungsschritte. Und anders als beim OZG kann die Nichteinhaltung sanktioniert werden: Die EU-Kommission könnte ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten und am Ende auch Geldstrafen verhängen.

Ursprünglich wollte die Kommission den Mitgliedsstaaten sogar nur zwei Jahre Zeit für die Umsetzung der SDG-Verordnung lassen. Die Bundesregierung setzte sich in den Verhandlungen mit der Kommission und den anderen Staaten aber erfolgreich für eine fünfjährige Frist ein.

Die erste wichtige Vorgabe findet sich in Artikel 6 der Verordnung: Jeder Mitgliedsstaat muss bis zum Stichtag im Dezember 21 Verwaltungsleistungen online anbieten, und zwar für alle EU-Bürger und Unternehmen. So soll zum Beispiel ein französischer Staatsbürger seinen Wohnsitz innerhalb Deutschlands online ummelden können oder ein Deutscher in Frankreich online ein Gewerbe registrieren können. Auf der Website "Your Europe" sammelt die EU-Kommission Links zu den Onlinediensten der Mitgliedsstaaten, damit jeder EU-Bürger diese unabhängig von seinen Sprachkenntnissen findet.

Da die EU die 21 Pflichtverfahren relativ schwammig definiert, können sich dahinter je nach Mitgliedsstaat deutlich mehr Verwaltungsaufgaben verbergen. Deutschland zum Beispiel muss laut der "OZG-Informationsplattfom" der Bundesregierung 43 OZG-Leistungsbündel digitalisieren, um Artikel 6 der SDG-Verordnung zu erfüllen. In diesen 43 Bündeln stecken insgesamt 328 Leistungen aus dem "Leistungskatalog der öffentlichen Verwaltung", der einzelne Prozesse definiert wie "Jahresmeldung zur Sozialversicherung Entgegennahme".

Für Digitalisierungsvorreiter wie Dänemark, Finnland, Estland oder Österreich stellt Artikel 6 kaum eine Hürde dar. Deutschland wird die Liste bis Dezember jedoch definitiv nicht vollständig abarbeiten. Selbst die betroffenen Bundesbehörden werden nach einer Einschätzung des Bundesinnenministeriums (BMI) nicht rechtzeitig fertig. Bei "relevanten Bundesleistungen" werde "ein Großteil der Anforderungen" bis Dezember umgesetzt, sagte eine Sprecherin gegenüber c’t.

Im Portal "Your Europe" verlinkt die EU-Kommission die Onlinedienste, die Mitgliedsstaaten europaweit anbieten müssen.