Sommer 2020
Was Extremwetterlagen mit dem Klimawandel zu tun haben
Riesige Brände in Kalifornien, extreme Eisschmelze in der Arktis und zu viel Wasser im Victoriasee - wo sich in diesem Sommer der Klimawandel bemerkbar gemacht hat.
Der Sommer 2020 ist vorbei. In Deutschland war er, sagen die Meteorologen, vergleichsweise wechselhaft. Aber er war im Schnitt deutlich zu warm.
O-Ton Christoph Seidler DER SPIEGEL "Wenn ich mir die langfristigen Statistiken ansehe, haben wir sozusagen nicht die Rekordwerte erreicht, die wir in den vergangenen Jahren beispielsweise hatten. Aber es war immer noch ziemlich warm. Was aber bemerkenswert war am Sommer 2020, waren die Niederschläge; und zwar waren die extrem ungleich verteilt. Es gab Teile in Deutschland, im Alpenvorland zum Beispiel war es tatsächlich zehnmal so viel Niederschlag gefallen wie in den trockensten Regionen des Landes, in der Leipziger Tieflands-Bucht, am Rhein entlang, im Saarland. Und diese Ungleichverteilung beim Regen, das war etwas Bemerkenswertes in diesem Sommer. Und es war etwas, was in Teilen des Landes ein Problem verstärkt hat, das wir da schon seit mindestens zwei weiteren Jahren haben, nämlich eine extreme Dürre."
Das ist ein Problem für die Land- und Forstwirtschaft, denn die Borkenkäfer haben bei trockenen Bäumen leichtes Spiel. Global betrachtet hat es vor allem Kalifornien in diesem Sommer hart getroffen: Die Waldbrände sind in diesem Jahr besonders stark. Die verbrannten Flächen sind bereits jetzt größer, als man das jemals zuvor seit Start der Aufzeichnungen beobachten konnte. Im Raum San Francisco führten die Brände zu einem außergewöhnlichen Schauspiel: Der Himmel färbte sich orangerot.
Nach Angaben des Gouverneurs hat es dieses Jahr bereits rund 6800 Brände gegeben, verglichen mit 4000 zum gleichen Zeitpunkt 2019. Das abgebrannte Land hat bereits jetzt die Rekordfläche von annähernd 21.000 Quadratkilometern. Aber nicht nur in Kalifornien, auch in Oregon und Washington kam es zu riesigen Feuern. Sind sie eine Folge des Klimawandels?
O-Ton Christoph Seidler DER SPIEGEL "Der Klimawandel spielt da mindestens eine Rolle als ein Brandbeschleuniger, wenn man so will. Es geht auch um die Frage, wie viel Holz liegt da eigentlich, wie viel totes Holz liegt in den kalifornischen Wäldern? Das ist ja ein Argument, was US-Präsident Donald Trump immer wieder bringt. Wenn man das Totholz entfernen würde, dann wäre da alles ganz entspannt mit den Waldbränden. Dem ist nicht so. Der Klimawandel spielt durch steigende Temperaturen dort eine Rolle, weil dadurch ist einfach mehr trockenes Holz verfügbar, mehr Brennmaterial. Und wenn es dann einen auslösenden Faktor gibt, einen Blitzschlag, eine kaputte Stromleitung, dann kommt es zum Waldbrand. Der Klimawandel sorgt auch dafür, dass die Waldbrand- Saison immer länger wird. Und das ist auch etwas, was wir in diesem Jahr sehen, dass es sehr, sehr früh losgegangen und bis Entspannung durch die jährlichen Regenfälle kommt, wird es einfach noch sehr lange dauern.
Mitte August wurden im Death Valley im Osten Kaliforniens 54,4 Grad Celsius gemessen. Das ist der dritthöchste Wert, der jemals gemessen wurde auf der Erde. Die anderen beiden Werte, 1913 im Death Valley und 1931 in Tunesien verzeichnet, werden von Experten angezweifelt. Weit weg vom Death Valley, in Sibirien, hat es ebenfalls einen Hitzerekord gegeben: In Werchowjansk stieg die Temperatur auf 38 Grad Celsius. Das Eis in der Sonne schmolz in Sekundenschnelle.
O-Ton Christoph Seidler DER SPIEGEL "Natürlich wäre so ein Ereignis nämlich, so sagt eine aktuelle Studie aus diesem Jahr, alle 80000 Jahre nur zu erwarten uns. Der Klimawandel hat die Wahrscheinlichkeit für solche Ereignisse dramatisch erhöht, und das ist es, was wir da sehen.
Werchowjansk steht für ein Problem - nämlich für den extremen Klimawandel in der Arktis. Dass das Eis in der Arktis im Sommer schmilzt, ist normal. Aber fast noch nie blieb so wenig Eis übrig wie in diesem Jahr. Es ist erst das zweite Mal seit Start der Satellitenmessung vor gut 40 Jahren, dass die Eisdecke weniger als vier Millionen Quadratkilometer ausmacht. Nur 2012 lag der Wert noch niedriger.
O-Ton Christoph Seidler DER SPIEGEL "Das hat damit zu tun, dass das Eis sozusagen doppelt angegriffen wird, von oben durch hohe Lufttemperaturen, von unten, aber auch dadurch, dass sich der Ozean erwärmt, weil auch schon in den vergangenen Jahren viel Wärme in dieses System reingekommen ist."
Auffällig ist, dass Extremwetter häufiger werden. Dürreperioden werden härter und länger. Wo es Niederschläge gibt, werden diese heftiger. Laut einer UN-Studie gibt es seit 1960 mehr Stürme, Hochwasser, Erdrutsche und andere Katastrophen, die zusätzlich zum quantitativen Anstieg auch immer intensiver und damit folgenschwerer wurden. Mit besonderer Sorge verfolgen Experten den dramatischen Anstieg des Wasserstandes des Victoriasees. Der zweitgrößte Süßwassersee der Erde hat inzwischen den höchsten Stand in der Geschichte der Aufzeichnungen erreicht und in den angrenzenden Ländern Kenia, Uganda und Tansania zahlreiche Dörfer überschwemmt. Hunderte Menschen starben in Fluten und Erdrutschen.
Ein anderes Beispiel aus Europa: In Mailand standen zu Beginn des Sommers Teile der Stadt nach schweren Regenfällen unter Wasser.
O-Ton Christoph Seidler DER SPIEGEL "Für jede einzelne Überschwemmung, die ich irgendwo sehe nach einem Starkregen, kann ich nicht ohne weiteres sagen, das war jetzt der Klimawandel. Aber es gibt insgesamt den Großtrend, dass sich einfach Extremwetter- Ereignisse im Schnitt deutlich verstärken werden im Rahmen des Klimawandels."
Eisschmelze, Überflutungen, Waldbrände - Ist 2020 ein Jahr mit extremen Wetterlagen?
O-Ton Christoph Seidler DER SPIEGEL "Man kann davon ausgehen, dass dieses Jahr unter den Top fünf wahrscheinlich bei der Durchschnittstemperatur in den weltweiten Statistiken landen wird. Es kann sogar sein, dass wir 2020 das wärmste Jahr überhaupt seit Beginn der Aufzeichnungen haben werden.
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