Urs Tillmanns, 3. August 2023, 09:07 Uhr

Jost J. Marchesi zeigt Camera Obscura Bilder vom Feinsten

Gestern war Vernissage: Jost J. Marchesi, der vielen als Fachlehrer der Zürcher Berufsschule bekannt ist, hat im Gesundheitszentrum Dielsdorf eine Ausstellung mit Bildern eröffnet, die in den letzten etwa sechs Jahren mit der Lochkamera entstanden sind – mit der Urform der Fotokamera, jedoch in höchster Perfektion.

Jost J. Marchesi muss unserer Leserschaft kaum noch vorgestellt werden. Fast drei Jahrzehnte hat er den Zürcher Nachwuchs in Fotografie unterrichtet, und so ist es auch leicht verständlich, dass rund 50 Freunde und Interessierte gestern, Mittwochabend 2. August 2023, den Weg ins Gesundheitszentrum Dielsdorf zur Vernissage seiner ersten Soloausstellung gefunden haben.

 

Rund 50 Freunde von Jost J. Marchesi und Interessierte an seiner Fotokunst wohnten gestern der Vernissage bei

Jost, der immer mit den modernsten Techniken vertraut war und die technologischen Entwicklungen jeweils mit viel Vorsprung auf den Lehrplan seinen Schülerinnen und Schülern darlegte, befasste sich nach seiner Pensionierung mit dem Simpelsten was es im Sachen Kamera gibt – mit der Camera Obscura. So simpel sei diese jedoch gar nicht, erklärte Beat Pfändler, Fotograf und Fachlehrer, in seiner Laudatio. Es müssten vor allem viele Parameter übereinstimmen, die Lochgrösse, die Brennweite, Kontrast, Helligkeit und die Farbwiedergabe, damit ein Bild resultiert, das nicht einfach unscharf ist, sondern mit einer mystisch zerfliessenden Schärfe die Betrachter so fasziniert, dass niemand nach der wirklichen Schärfe im Bild sucht.

 

Die Camera Obscura Bilder von Jost J. Marchesi sind nicht nur technisch interessant, sondern sie überzeugen durch das hohe kreative und qualitative Niveau

Beat Pfändler vollzog einen Rundschlag durch die Laufbahn von Marchesi, der schon im Kindergarten die Idee hatte, eine Kamera mit einem Drachen aufsteigen zu lassen, der später seinen Lernenden mit Spezialtechniken faszinierte, die weit über das Pflichtpensum hinausgingen, wie das Dye Transfer-Verfahren beispielsweise oder die Dreifarben-Schwarzweissfotografie. Er hat auch die Unterlagen zu seinen Lektionen selbst erarbeitet, woraus verschiedene Fachbücher entstanden sind; als Berühmtestes wohl das «Photokollegium», das in rund 20 Sprachen übersetzt und in fast allen Kulturkreisen zum Unterrichtswerk für Fotografie schlechthin wurde.

 

In den Gängen des Gesundheitszentrum Dielsdorf sind die Lochkamerabilder von Jost J. Marchesi noch bis 13. September 2023 zu sehen

Das sich Jost nach seiner Pensionierung mit der Camera Obscura, der Urform des Fotoapparates, befasste, ist typisch für seine Gründlichkeit. So trivial sich das Prinzip anhört, dass das durch ein Loch in der Wand eines schwarzen Raums einfallende Licht auf der gegenüberliegenden Wand ein seitenverkehrtes und kopfstehendes Bild erzeugt, so komplex ist die Sache in der Praxis. Marchesi hat sich intensiv mit dieser Materie auseinandergesetzt und diese so optimiert, dass die «zerfliessende Schärfe» – ähnlich einer Weichzeichnung – nicht mehr störend wirkt, sondern zum gestalterischen Element wird. Mit dieser perfektionierten Technik hat Marchesi danach seiner Kreativität freien Lauf gelassen, hat in seiner Umgebung, in den Bergen, vor allem aber auch an Italiens Ständen und in Venedig Motive entdeckt, die er in seinem ureigenen Stil festhielt.

 

Die Bilder überzeugen qualitativ auch als Fineart-Prints der «Archival Pigment Print-Edition» und einer perfekten Präsentation

Als besondere Attraktion kamen die Anwesenden noch in den Genuss einer Live-Demonstration, in dem Jost einige Gäste im improvisierten Studio mit der Lochkamera porträtierte. Alles war perfekt ausgetestet, ein grossflächiger Blitz war das Hauptlicht und ein Aufheller sorgte für durchzeichnete Schatten – mehr braucht es nicht. Anders als zur Urzeit der Fotografie, konnte das getetherte Ergebnis gleich mit Applaus auf den Laptop betrachtet werden.

 

Jost J. Marchesi fotografierte einige Anwesende im improvisierten Studio mit seiner zur Lochkamera umfunktionierten Canon-Spiegelreflexkamera

Mit seinen Camera Obscura Bildern beweist Jost J. Marchesi nicht nur eine perfekte Technik, erarbeitet mit der Gründlichkeit, für die er auch bei seiner Lehrtätigkeit bekannt war, sondern wir lernen in dieser Ausstellung den Künstler Marchesi kennen, der sein damaliges Pflichtprogramm abgelegt hat und sich voll seinem kreativen Flair widmet. Ein Experiment mit der Lochkamera, das ihm vollends gelungen ist.

Text und Bilder: Urs Tillmanns

Die Ausstellung ist noch bis 13. September 2023 zu den üblichen Besuchszeiten im Gesundheitszentrum Dielsdorf, Breitestrasse 11, Dielsdorf zu sehen.

Lesen Sie auch
• «Jost J. Marchesi – zurück zur Urform der Kamera» Fotointern 11.10.2020

Besuchen Sie auch
• die Websites von Jost J. Marchesi www.galerieobscura.ch und www.farbworkflow.ch

 

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4 Kommentare zu “Jost J. Marchesi zeigt Camera Obscura Bilder vom Feinsten”

  1. Gute Zusammenfassung der Vernissage des Lehrers und Tüftlers.
    Wie Sie richtig bemerken, sieht eine Lochbild-Aufnahme recht einfach aus, aber die Zusammenhänge aus Blende, Auszug, Licht und mehr sind komplex. So setzte gestern Jost Marchesi Blitz und Belichtung um 1 Sekunde ein, um die Portraits zu schiessen.

  2. Hatte er nicht Thingyfy linse drauf? Reality So Subtle bietet nicht nur geniale Kameras sondern auch Pinhole-platten an, in Topqualität. Chromacamera ist ein anderer genialer Typ mit noch innovativeren Ideen. Nimmt mich wunder ob Herr Marchesi bereits Tricolor Pinhole-Aufnahmen gemacht hat. Chromacamera hat eine solche Kamera. Wir überlegen uns einen elektisch gesteuerten Rotor für schnelle Farbaufnahmen auf SW-Film.

    1. Ja, er hatte nicht „Thingyfy linse“ drauf. Wie können Kameras genial sein? Natürlich kann man auch auf SW-Film Farbaufnahmen gestalten, wie Marchesi auch schon detailliert gezeigt hat. Aber weshalb, wenn es Farb-Filme und ebensolche elektronische Bildwandler gibt?

  3. Tricolor mit Drei Aufnahmen weil man dann unabhängig von farbfilmen und Digitaltechnik ist und exotische SW-Filme in grossem Format verwenden kann. Je grösser das Format desto schärfer die Vergrösserungen. Werner Bischoff hat das doch bereits früh gezeigt für Objektivaufnahmen. siehe Ausstellung bis Juli 23 in Lugano Hier kann man es ja mit pinhole auf die Spitze treiben. skinkpinhole hat alle drei plate-arten für alle Formate. Er zeigt auch digitalpinholeaufnahmen. Pinhole Journal war ein Heft welches alle Aufnahme-Techniken und die verrücktesten Aufnahmen zeigte. Leider Versand von Restausgaben aus den USA horrend.

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