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Nachruf auf Volker Lechtenbrink Er lebte so, wie er es mochte

Bis zuletzt trug er die Tugenden der Sechzigerjahre zur Schau. Jederzeit schnodderig und gelassen machte Volker Lechtenbrink als Schauspieler wie als Sänger eine gute Figur. Ein Nachruf auf einen Davongekommenen.
»Leben, so wie ich es mag«: Volker Lechtenbrink 2014 auf der Bühne des Hamburger Ernst Deutsch Theaters

»Leben, so wie ich es mag«: Volker Lechtenbrink 2014 auf der Bühne des Hamburger Ernst Deutsch Theaters

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Axel Heimken / dpa

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Als er sich längst entschieden hatte, 2010, schrieb er über seinen Beruf: »Schauspieler sind Egomanen, Mimosen, Traumtänzer, neidisch, immer durstig, dauergeil, lernfaul, größenwahnsinnig, realitätsfremd, jähzornig, Klatschmäuler, Hochstapler, Fremdgänger, geldgierig, verfressen, suchtgefährdet, arrogant, depressiv, feige, kindisch«, dabei »ungeheuer liebenswert« – und von ständiger Existenzangst geplagt.

Dabei konnte er sich lange nicht entscheiden, ob er nun als Schauspieler, Intendant, Regisseur, Autor oder Sänger seinen Weg machen sollte. Vielleicht war es besagte Existenzangst, die ihm die Entscheidung irgendwann erleichterte. Volker Lechtenbrink würde Volker Lechtenbrink sein.

1944 in Ostpreußen geboren und aufgewachsen in Bremen und Hamburg, zog es ihn schon früh ans Theater. Als Kind hatte er Sprechrollen beim NDR, mit 14 Jahren stand er in Bernhard Wickis Antikriegsfilm »Die Brücke« vor der Kamera. Ein blonder Junge mit großen Augen und offenem Gesicht – an der Seite von Fritz Wepper, Günter Pfitzmann, Vicco von Bülow und Frank Glaubrecht.

Felmy als väterliches Vorbild

Nach diesem frühen Welterfolg studierte er Schauspiel, unter anderem an der Hamburger Staatlichen Hochschule für Bildende Künste, und spielte im Anschluss, was kam. Darunter waren Komödien mit Theo Lingen (»Bei Pichler stimmt die Kasse nicht«) ebenso wie Verfilmungen von Jean Anouilh (»Becket oder die Ehre Gottes«) oder ARD-Serien wie »Alle meine Tiere«. Theater spielte er in Hannover, Köln, Berlin, München oder Frankfurt – dort an der Seite von Hildegard Knef.

Lechtenbrink 1965 an der Seite von Hildegard Knef in »Mrs. Dally« in Frankfurt am Main

Lechtenbrink 1965 an der Seite von Hildegard Knef in »Mrs. Dally« in Frankfurt am Main

Foto: DB / dpa

Zu seinen väterlichen Vorbildern erkor er Kollegen wie Hansjörg Felmy oder den früh verstorbenen Hanns Lothar, dessen Nachruf 1967 im SPIEGEL er noch in seiner 2010 erschienen Autobiografie zitierte: »Er war ein leptosomer Hans Albers, der noch immer die Tugenden der schlimmen und freizügigen Schwarzmarktjahre zur Schau trug: ein Underdog, doch jederzeit schnodderig und gelassen, ein Davongekommener, der sowohl als Kippensammler wie als Mann im Cockpit gute Figur machte.« Das habe ihm, bis auf das Adjektiv »leptosom«, sehr gut gefallen.

Wer Kristofferson sprechen kann, kann ihn auch singen

In den Siebzigerjahren spielte er Rollen in »Der Kommissar« oder »Sonderdezernat K1«, aber da kam ihm bereits eine andere Karriere dazwischen. Mit seiner sonoren Stimme war er Synchronsprecher von Burt Reynolds, seine professionelle Anverwandlung von Kris Kristofferson trug ihn sogar noch weiter. Wenn er den US-Star sprechen konnte, dann konnte er ihn auch singen.

»Der Macher« von 1976 entstand aus einer Laune heraus. Es war ein Album mit auch musikalisch eingedeutschten Country-Klassikern aus der Feder von Kris Kristofferson, das Titelstück stellte er in der »Hitparade« vor, es hielt sich als mittlerer Erfolg acht Wochen in den Charts. Auf der Bühne erschienen war Lechtenbrink, der kernige Schlagersänger.

Elf Langspielplatten und zwanzig Singles sollten folgen, darunter der Rock’n’Roll von »Leben, so wie ich es mag«, den er später zu seiner persönlichen Hymne erklärte, oder die Ballade »Ich mag« (beides erschienen auf »Herz & Schnauze«, 1982) – das, umgedichtet, als Werbesong für einen Malzkaffee weitere Karriere machte. Liedtexte schrieb er unter anderem für Peter Maffay. Als Schauspieler wurde Lechtenbrink seit den Achtzigerjahren auch wieder verstärkt fürs Fernsehen gebucht, für »Derrick«, »Der Fahnder« oder »Ein Fall für zwei«.

»Ich habe alles gespielt: vom Mörder bis zum Liebhaber, vom Verbrecher bis zum Komiker.«

Volker Lechtenbrink

Das Offene hatte Lechtenbrink noch immer, bei der richtigen Beleuchtung konnte er aber auch etwas Diabolisches ausstrahlen. Er trat in Verfilmungen von Rosamunde Pilcher ebenso auf wie in solchen von Inga Lindström, war bei »In aller Freundschaft«; aber auch einer Folge von »Jerks« zu sehen: »Ich habe alles gespielt: vom Mörder bis zum Liebhaber, vom Verbrecher bis zum Komiker«, sagte er in einem Interview zu seinem 70. Geburtstag.

Gefeiert wurde er im Herbst seiner Karriere für den lebensweisen Rückblick, das 2-Personen-Musical »Leben – So wie ich es mag«, geschrieben von seiner Tochter Saskia. Oder die autobiografische Revue »Kommen Sie ruhig rein – Lieder und Geschichten«, in der er als Conférencier seines eigenen Werdegangs glänzte.

Lechtenbrink bei einem seiner letzten Auftritte im August 2021, im Sommer wurde er mit dem Gustaf-Gründgens-Preis geehrt

Lechtenbrink bei einem seiner letzten Auftritte im August 2021, im Sommer wurde er mit dem Gustaf-Gründgens-Preis geehrt

Foto: Markus Scholz / dpa

Daneben kehrte er immer wieder zum Theater zurück. Er war Intendant in Bad Hersfeld, stand in Hamburg in »Frost/Nixon« auf der Bühne und wurde noch im Sommer 2021 mit dem Gustaf-Gründgens-Preis ausgezeichnet – ebenso wie für seine stimmungsvolle Arbeit als Leser der ausgezeichneten Hörbuchfassung von »Die Brücke« (2019).

Er war ein Künstler, der noch immer die Tugenden der schlimmen und freizügigen Sechzigerjahre zur Schau trug: ein Underdog, doch jederzeit schnodderig und gelassen, ein Davongekommener, der als Schauspieler wie als Sänger gute Figur machte.

Gespielt hätte er gern noch einen »friesischen Kommissar mit vielen Macken«, aber dazu ist es nicht mehr gekommen. Am Montag ist Volker Lechtenbrink in Hamburg nach schwerer Krankheit gestorben. Er wurde 77 Jahre alt.

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