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Bernd Ziesemer Die kommende Pleite Russlands

Bernd Ziesemer: Die kommende Pleite Russlands
Auf den ersten Blick steht Wladimir Putins Regime auf sicheren finanziellen Füßen. Doch in Wahrheit verkleinert sich sein Spielraum immer weiter

Kann ein Staat Bankrott gehen, der immer noch viele Milliarden Euro mit seinen Öl- und Erdgasimporten verdient? Im Fall Russlands lautet die viele überraschende Antwort: eindeutig ja. Auf den ersten Blick muss sich Wladimir Putin keine Sorgen um seine Staatsfinanzen machen, so lange sich seine Energierohstoffe zwar kaum noch in den USA und Europa verkaufen lassen, aber immer noch in Indien und China und vielen Staaten der Dritten Welt. Doch in Wahrheit steht sein Staatsetat auf immer wackligeren Füßen. Selbst nach russischen Schätzungen verdoppelt sich das Haushaltsdefizit im nächsten Jahr auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts.  

Doch die offiziellen Planungen beruhen auf illusionären Grundannahmen: Putin geht von stabilen Öl- und Gaseinnahmen aus, die fast die Hälfte der Staatseinnahmen ausmachen. In Wahrheit sinken sie jedoch massiv, weil Russland immer weniger Öl und Gas fördert und es zu viel niedrigeren Preisen abgeben muss als am Anfang des Kriegs. Auch auf der Ausgabenseite fehlen in den bisherigen Planungen wesentliche Posten – vor allem für die rund 300.000 frisch eingezogenen Soldaten. Westliche Experten prophezeien deshalb ein Defizit, das 2023 eher bei vier bis fünf Prozent der Wirtschaftsleistung liegen dürfte.

Die westlichen Sanktionen, rasch fallende Steuereinnahmen aufgrund gesunkener Konsumausgaben der Bürger, steigende Ausgaben für den Krieg, die Belastung der Industrie durch fehlendes Personal und zerstörte Lieferketten, die fortschreitende Überalterung des Kapitalstocks durch ausbleibende Ersatzinvestitionen – das alles verkettet sich zu einem giftigen Molekül des Niedergangs. Westliche Investitionen fallen so gut wie ganz aus und die Chinesen springen auch nicht ein. Will Russland seine Öl- und Gas-Exporte künftig nach Asien umlenken, muss Putin selbst tief in seine Taschen greifen.

Putin zerstört Russlands Zukunft

Langfristig sieht es noch viel düsterer aus: Nach den Kriegsverbrechen in der Ukraine, vor allem der planmäßigen Vernichtung der zivilen Infrastruktur, muss Russland mit gewaltigen Reparationen rechnen. Die eingefrorenen Reserven der russischen Zentralbank stehen also selbst nach einem Friedensschluss kaum noch zur Verfügung. Der Zugang zu westlichen Kapitalmärkten bleibt Russland vermutlich auf Jahrzehnte versperrt. Formal kann das Regime seine Auslandsschulden schon jetzt nicht mehr bedienen, im letzten Juni erklärten die Gläubiger den offiziellen Zahlungsausfall. Auch wenn Russland nur wegen westlichen Finanzsanktionen den Schuldendienst einstellen musste, bleiben die Folgen doch die gleichen wie bei einer normalen Pleite. Hinzu kommt: Russland muss sich auf Milliardenforderungen von westlichen Konzernen wie Uniper gefasst machen, die durch den willkürlichen Stopp der vertraglich vereinbarten Lieferungen hohe Verluste erlitten haben.

Die ökonomischen Folgen des Überfalls auf die Ukraine, die Russland zum Paria Europas gemacht haben, werden das Land auch nach dem Abtritt Putins von der Weltbühne noch auf Jahre belasten. Selbst im höchst unwahrscheinlichen Fall eines Siegs bliebe die wirtschaftliche Isolation und bliebe die vollkommende Trennung von westlicher Technologie. Ein Zurück zum Status quo ante als Energielieferant für Europas Industrien ist unmöglich, weil sich Deutschland und die anderen großen EU-Länder niemals wieder in eine Abhängigkeit von Russland begeben werden und eine Infrastruktur aufbauen, die auf andere Lieferanten setzt.

Putin hat nicht nur die Ukraine in die bittere Armut gebombt, sondern auch die Zukunft Russlands zerstört. Spätere Generationen seines Volks werden sich an den Kriegsverbrecher als „Wladimir den Schrecklichen“ erinnern.  

Bernd Ziesemer

ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint regelmäßig auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen.

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