Der Imam der grössten Moschee in Brüssel unter Terrorverdacht

Weil er ein «Risiko für die nationale Sicherheit» darstelle, wurde Mohamed Toujgani die Aufenthaltsgenehmigung entzogen. Der Imam einer Moschee in Molenbeek stand bisher nur im Ruf, sehr konservativ zu sein. Berichte legen jedoch nahe, dass er junge Männer für den Jihad anwarb.

Daniel Steinvorth, Brüssel
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Mohamed Toujgani (rechts) bei einer Gedenkveranstaltung für die Opfer der Terroranschläge in Brüssel im April 2016.

Mohamed Toujgani (rechts) bei einer Gedenkveranstaltung für die Opfer der Terroranschläge in Brüssel im April 2016.

Thierry Charlier / AFP

Er gilt als einer der einflussreichsten Imame Belgiens. Jahrelang predigte Mohamed Toujgani in der Al-Khalil-Moschee im Brüsseler Stadtteil Molenbeek. Die rund 3000 Gläubigen, die sich jeden Freitag in dem ehemaligen Fabrikgebäude in der Rue Delaunoy versammelten, waren es gewohnt, von dem kleinen, untersetzten Marokkaner über die Versuchungen des Teufels und das gottgefällige Leben unterrichtet zu werden. Toujgani, der seit 1984 abwechselnd in Marokko und in Belgien lebt, dabei jedoch weder Französisch noch Niederländisch spricht, steht im Ruf, ein besonders konservativer sunnitischer Prediger zu sein. Nachgesagt wurde dem 66-Jährigen bisher eine Nähe zur Muslimbruderschaft, jedoch nicht zu Jihadisten.

Für grosses Aufsehen sorgte daher die Nachricht vom Donnerstag, dass der belgische Staatssekretär für Asyl und Migration, Sammy Mahdi, Toujgani die Aufenthaltsgenehmigung entzogen habe. Die Entscheidung wurde nach Angaben seines Kabinetts «auf der Grundlage von Informationen der Sicherheitsdienste» und «aufgrund von Anzeichen einer ernsthaften Gefahr für die nationale Sicherheit» getroffen.

Hass gegen Juden

Schon Mitte Oktober fiel der Beschluss, den Vorbeter auszuweisen und gegen ihn ein zehnjähriges Einreiseverbot zu verhängen. Bei einer Rede im Parlament ging Mahdi nicht ins Detail. Der Staatssekretär erklärte jedoch, dass man «radikalen Predigern in der Vergangenheit zu viel Spielraum gelassen» habe und dass man mit der Massnahme ein klares Zeichen setze: «Wir werden diejenigen, die unsere Gesellschaft spalten und unsere nationale Sicherheit bedrohen, nicht tolerieren.»

In den Medien wurde daraufhin vor allem auf ein belastendes Video aus dem Jahr 2009 hingewiesen: Zu sehen ist darin, wie Toujgani bei einer Predigt zur «Verbrennung» von «zionistischen Unterdrückern» in Israel aufruft. Der Mitschnitt tauchte erst zehn Jahre später auf und setzte den gewählten Vorsitzenden der Liga der Imame in Belgien unter Druck. Toujgani entschuldigte sich halbherzig für seine Äusserungen, indem er auf den «kritischen geopolitischen Kontext» des Gaza-Krieges verwies.

Unterstützter des Imams empören sich, dass die Sätze aus dem Zusammenhang gerissen worden seien. Toujgani sei ein Mann des Dialogs, der an vielen Veranstaltungen mit Katholiken und Juden teilgenommen habe, erklärte der marokkanischstämmige Gemeinderat von Molenbeek, Ahmed al-Khannous. Toujgani praktiziere einen gemässigten sunnitischen Islam, «auch wenn er traditionalistisch und manchmal emotional ist», sekundierte Abdessamad Belhaj, ein Islamforscher an der Katholischen Universität Löwen. Überhaupt habe sich der Imam bei der Prävention gegen Radikalisierung hervorgetan, so Belhaj. Aktivisten starteten am Donnerstag eine Unterschriftenaktion gegen die «Islamophobie»: Man wolle wissen, welche Gefahren denn konkret von Toujgani ausgingen, und fordere Antworten von Sammy Mahdi, heisst es in der Petition.

Verbindungen zu Terroristen?

Der Staatssekretär gibt sich bedeckt. Doch Hinweise könnte ein Bericht der Anti-Terror-Abteilung der Brüsseler Kriminalpolizei liefern, der am Wochenende den belgischen Medien zugespielt wurde. Demnach war der Name des Predigers schon 2007 in einem Verhörprotokoll der spanischen Guardia Civil gefallen. Ein geschützter Zeuge gibt darin Auskunft über die Methoden der Anwerbung für den Jihad, den die Terrororganisation al-Kaida im damals von den USA besetzten Irak führte.

Dreh- und Angelpunkt für die Rekrutierung von Jihadisten in Belgien war demnach das Centre Islamique Belge in Molenbeek, das von einem Mann namens Bassam Ayachi geleitet wurde. Dieser ging 2013 nach Syrien, um zur Waffe zu greifen. Ihm zur Seite stand Abdelkader Chouaa, ein radikaler Prediger aus Verviers. Chouaa soll Verbindungen zur terroristischen Hofstad-Gruppe in den Niederlanden gehabt haben, aus deren Reihe der Mörder von Theo van Gogh kommt. Als dritten Mann, der junge Kämpfer angeworben haben soll, benennt der spanische Zeuge: Mohamed Toujgani.

Auf Toujganis Rolle in dem Netzwerk wird in dem Bericht nicht näher eingegangen. Beschrieben wird jedoch, wie der marokkanische Imam mindestens zweimal in Begleitung von Abdelkader Chouaa ins europäische Ausland gegangen sei, um dort Gleichgesinnte zu treffen. Sollte Toujgani über all die Jahre ein Wolf im Schafspelz gewesen sein? Seine Unterstützer haben die jüngsten Medienberichte bisher nicht kommentiert. Der Imam, hiess es am Wochenende, wolle aber gegen die Ausweisung und gegen das Einreiseverbot in Berufung gehen.

Dem Brüssel-Korrespondenten Daniel Steinvorth auf Twitter folgen.

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